In der jüngsten Verhandlung Ende April war es sich aus Zeitgründen nicht ausgegangen, am Dienstag war es nun so weit. Im Strafprozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen Beamten aus dem Sportministerium befragte der Richter Kronzeugin Sabine Beinschab – und schon nach wenigen Minuten hatte sie mehrere Aussagen von Karmasin als falsch bezeichnet und Karmasin schwer belastet.

Im Strafverfahren am Straflandesgericht Wien geht es unter anderem um den Vorwurf des schweren Betrugs. Karmasin soll sich nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen haben. Gemäß dem Vorwurf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) soll sie Verantwortlichen aus dem Bundeskanzleramt verschwiegen haben, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Ministerin nahtlos fortgesetzt habe. Es geht um fast 80.000 Euro.

Karmasin hat das Geld, das sie bezogen hat, in zwei Tranchen zurückgezahlt – gemäß Rechtsansicht der WKStA aber zu spät und nicht freiwillig, weswegen die Rückzahlung keine tätige Reue darstelle, so die Staatsanwälte. Die Angeklagte und ihr Rechtsanwalt, Norbert Wess, sehen das anders.

"Ich bin nicht ganz naiv"

Bevor Beinschab zu Wort kam, wurde die Angeklagte Karmasin durch Richter Patrick Aulebauer befragt – und versuchte abermals zu erklären, warum sie nach ihrer Ministerinnenkarriere Entgeltfortzahlungen beantragt habe. Der Richter konfrontierte sie mit Unterlagen, aus denen klar hervorging, dass diese bereits unmittelbar nach dem Ende ihrer politischen Tätigkeit ernsthafte Jobaussichten hatte. Dessen ungeachtet beantragte Karmasin die gesetzlich vorgesehenen Entgeltfortzahlungen aus ihrem früheren Ministeramt und nahm diese auch in Anspruch.

Zum einen entwickelte Karmasin mit Beinschab eine geschäftliche Kooperation, zum anderen hatte sie Aussichten auf einen beruflichen Einstieg bei einem Schweizer Beratungsunternehmen. Karmasin wies darauf hin, dass "noch kein Vertrag unterschrieben" gewesen sei, "ich bin nicht ganz naiv". Aus dem Einstieg wurde schließlich nichts. Mit Beinschab hingegen war sogar schon ein Businessplan erstellt worden. "Nichts davon" sei umgesetzt worden, betonte Karmasin.

Außerdem hielt Karmasin auch bezahlte Vorträge, während sie weiter Bezüge aus ihrer früheren Ministerinnentätigkeit bezog. Hier verteidigte sich die Angeklagte damit, dass es "keine berufliche Tätigkeit" sei, "um 300 Euro einen Vortrag zu halten". Ein Vortrag sei vielmehr "ein Strohhalm, an eine berufliche Tätigkeit zu kommen". Die Entgeltfortzahlungen lukriert und ihre Vorträge nicht gemeldet zu haben sei "im Nachhinein unbedacht" gewesen – und ein Fehler. Ihrer Ansicht nach sei die Anbahnung einer Tätigkeit aber "keine berufliche Tätigkeit". Nichtsdestotrotz war Karmasin selbst es, die in einer Mail bezüglich eines Auftrags selbst darauf hinwies, dass sie nichts verdienen dürfe. Darauf angesprochen meinte sie am Dienstag schließlich: "Im Nachhinein war es nicht die richtige Vorgangsweise."

Geldstrafe für Preisabsprachen

Zudem werden der von der ÖVP gestellten Ministerin Preisabsprachen rund um die Vergabe von Studien des Sportministeriums vorgeworfen. Sie habe sich mithilfe ihrer Kollegin und Mitarbeiterin, der Meinungsforscherin Sabine Beinschab, und Scheinangeboten die Aufträge organisiert. Vor Gericht räumte Beinschab ihre Beteiligung daran ein: "Ich war ein Trottel, dass ich das gemacht habe." Es sei klar gewesen, dass man "das nicht macht", und es war "ein echter Fehler", so Beinschab.

In dieser Angelegenheit kontaktiert worden sei Beinschab von Karmasin nach deren Ausscheiden aus der Politik. Diese habe ihr gesagt, dass sie Vergleichsangebote brauche, damit sie den Zuschlag für eine Studie für das Sportministerium bekomme. Bei insgesamt drei Studien habe sie schließlich nach konkreten Anweisungen durch Karmasin ein Angebot vorgelegt – um ihrer einstigen Chefin einen Gefallen zu tun. "Sie hat mich ausgenutzt, sie hat gewusst, sie kann eh alles machen mit mir", sagte die Kronzeugin.

Darüber hinaus widersprach die Meinungsforscherin der Rechtsansicht von Karmasins Verteidigern, wonach das Einreichen von akkordierten Vergleichsangeboten kartellrechtlich unproblematisch gewesen sei. Beinschab sagte vor Gericht, dass sie deswegen von der Bundeswettbewerbsbehörde belangt und kartellrechtlich zur Verantwortung gezogen worden sei. Am Dienstag vor einer Woche sei sie deshalb zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden. Rechtmittel dagegen habe sie keine eingelegt.

Abrechnungen über Firma des Mannes

Ausführlich sprach Beinschab auch über Karmasins Rolle in der ÖVP-Umfragenaffäre. Obwohl die über das Finanzministerium abgerechneten Studien, die den späteren Kanzler Sebastian Kurz in ein gutes Licht rücken sollten, nicht Gegenstand der Verhandlung sind, wurde sie vom Richter thematisiert. Karmasin habe ihr den Kontakt zum damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, vermittelt, schilderte Beinschab.

"Bei Sophie Karmasin war auch der Gedanke dabei, da kann ich etwas mitverdienen", sagte Beinschab. Karmasin habe laut Beinschab 20 Prozent Umsatzbeteiligung für Vermittlung und Beratung verlangt und sei auch darüber informiert gewesen, wer die Studien bezahlt. Für Karmasin sei es vor allem um die Frage gegangen, "wie kommt sie zu ihrem Geld", sagte Beinschab. Da die Angeklagte zu diesem Zeitpunkt Ministerin war und ihre Nebeneinkünfte nicht aufscheinen sollten, habe man die Abrechnungen über die Firma ihres Mannes laufen lassen. Die Idee sei von Karmasin gekommen, so Beinschab.

Karmasins Verteidiger Norbert Wess versuchte dann, Beinschabs Glaubwürdigkeit anzugreifen. Er fragte etwa nach, warum sie rasch von Karmasins Nachfolger bei Gallup entlassen worden war. Beinschab erklärte das mit einem Interview, das sie gegeben und nicht mit dem damaligen Chef abgesprochen hatte.

Karmasin und der Beamte aus dem Sportministerium bestreiten die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung.

DER STANDARD berichtete ab 9.30 Uhr live aus dem Großen Schwurgerichtssaal. (gra, 16.5.2023)

Nachlese Liveticker: Stundenlange Aussage von Beinschab in Karmasin-Prozess