Bei der zweiten Runde der Präsidentenwahlen in der Türkei hat Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan das Rennen für sich entscheiden können. Die Wahlkommission gab am Sonntagabend an, dass Erdoğan mit 52,14 Prozent der Stimmen uneinholbar vorne läge. Die restlichen 47,86 Prozent fallen auf seinen Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu. Erdoğan hatte bereits zuvor seinen seinen Sieg verkündet gehabt, nachdem sowohl die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu als auch die private, oppositionsnahe Agentur Anka eine Mehrheit der Stimmen für Erdoğan errechneten. Die 61 Millionen Wählerinnen und Wähler entschieden bis 17.00 Uhr Ortszeit, ob sie Erdoğan eine weitere Amtsperiode lang als Präsident haben wollen oder ob sie doch mehrheitlich für einen Wandel sind. Oppositionskandidat Kılıçdaroğlu kämpfte seit dem ersten Wahldurchgang am 14. Mai um die Wählerinnen und Wähler der anderen Kandidaten und um die, die nicht zur Wahl kamen.

Nachdem die Wahllokale geschlossen hatten und langsam Hochrechnungen über die Agenturen veröffentlicht wurden, erklärte sich Erdoğan schließlich am Abend von einem Bus in Ankara aus zum Sieger der Wahl. "Die Türkei ist der Gewinner dieser Wahl", sagte er vor jubelnden Anhängern und Anhängerinnen. Später sprach er noch in Ankara vor dem Präsidentenpalast.

Kılıçdaroğlu wandte sich seinerseits am Abend an die Öffentlichkeit. Er würde weiterkämpfen, gab er an. Es sei eine "der am wenigsten fairen Wahlen aller Zeiten gewesen". Eine Wahlniederlage wollte er nicht eingestehen. Ab dem ersten Durchgang, vor dem er Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheitsrechte in den Mittelpunkt seines Wahlkampfs gestellt hatte, hatte Kılıçdaroğlu vor der Stichwahl damit geworben, "mit aller Härte" den Terrorismus bekämpfen zu wollen. Das ist auch eine Reaktion auf eine verleumderische Kampagne des Erdoğan-Lagers, das ihn seit Wochen mit gefälschten Videos als angeblichen Befehlsempfänger der PKK-Führung darzustellen versucht, weil Kılıçdaroğlu indirekt auch von der kurdischen HDP unterstützt wurde. Drei Tage vor der Stichwahl hatte der Anwalt Kılıçdaroğlus wegen der Videos auch eine Klage eingereicht.

Schlechte Ausgangslage

Trotzdem war die Ausgangslage für den Herausforderer nicht eindeutig. Erdoğan, der im ersten Durchgang auf 49,3 Prozent der Stimmen kam, fehlten nur wenige Stimmen für die Mehrheit. Dass Kılıçdaroğlu (im ersten Durchgang bei 45 Prozent) das Rennen noch umdrehen kann, bezweifelten die meisten Expertinnen und Experten im Vorfeld. (red, 28.5.2023)

Nachlese Livebericht: Erdoğan gewinnt Stichwahl um Präsidentenamt in der Türkei