Am Montag um 9.30 Uhr begann der dritte Verhandlungstag in der Causa Falschaussage gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli. Auf dem Prozessfahrplan von Richter Michael Radasztics stand die Befragung des 40-Jährigen, der die Vorwürfe zurückweist und sich wohl nicht schuldig bekennen wird.

Bonelli war der dritte Angeklagte, der von Richter, Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu den Vorwürfen befragt wird; vor ihm war am Freitag Kurz dran. Am ersten Tag, vorigen Mittwoch, hatte Ex-Casinos-Austria-Chefin Bettina Glatz-Kremsner ausgesagt, Verantwortung übernommen – und ein Diversionsangebot des Richters angenommen. Sie muss nun daher nicht mehr dabei sein; ihr Verfahren wurde ausgeschieden. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Personalfragen rund um die Öbag

Die WKStA wirft Bonelli wie Kurz falsche Zeugenaussage im Ibiza-U-Ausschuss vor; er war am 27. Jänner 2021 als Auskunftsperson im Parlament und soll dort beim Thema Personalentscheidungen für die Staatsholding Öbag vier Mal falsch ausgesagt haben. Da ging es beispielsweise um die Frage zu seiner Wahrnehmung der Bestellung des Öbag-Aufsichtsrats und ob er selber nicht eingebunden oder ob Kurz involviert gewesen sei. Zudem wirft ihm die WKStA vor, dass er bei Fragen zur Auswahl von Kabinettsmitarbeitern im Finanzministerium falsch ausgesagt habe.

Zunächst referierte Bonelli, der sich nicht schuldig bekannte, kurz seinen Lebenslauf: Bonelli war nach seinem Philosophiestudium Berater bei der Boston Consulting Group (BCG), dort habe er schon fast so viel wie ein Minister verdient; danach habe er "die Chance bekommen", bei Kurz mitzuarbeiten. Bei den türkis-blauen Regierungsverhandlungen sei er nur wenig dabei gewesen, bei Türkis-Grün dann deutlich mehr. Er sei etwa für Regierungskoordination zuständig gewesen; den Wunsch nach enger Abstimmung habe man ihm als Messagecontrol ausgelegt.

"Was ist das für ein Mensch?"

Zum U-Ausschuss sagte Bonelli, er habe nicht gewusst, was ihn erwarte. Damals sei wegen der Corona-Pandemie eine stressige Zeit gewesen. Er habe den Tipp erhalten, Erinnerungslücken offen auszuschildern und sich knappzuhalten. Die Atmosphäre im U-Ausschuss sei unangenehm gewesen, die Abgeordneten hätten "Stricherllisten" geführt, wie oft sich jemand nicht erinnert habe. Der SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer habe ihn sogar gefragt, ob er sich noch an den Weg in den U-Ausschuss erinnere. "Was ist das für ein Mensch?", habe er sich damals gefragt.

In 68 Prozent seiner Befragung sei es um strafrechtliche Vorwürfe gegangen, der U-Ausschuss sei quasi "ein Minenfeld" gewesen, rechnete der Angeklagte vor. "Die Angst war real", sagte Bonelli, der offenbar auf einen Aussagenotstand hinaus will. Die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper habe sich an ihn "herangepirscht" und ihm vorgeworfen, er berate sich hinter der Maske mit seiner Vertrauensperson zu beraten. Er, Bonelli, habe jedenfalls vermeiden wollen, in ein Strafverfahren gezogen zu werden. Deshalb habe er bei den Fragen nach den Öbag-Bestellungen auf die formellen Besetzungsprozesse Bezug genommen. Der ehemalige Kabinettschef im Kanzleramt stellte in den Raum, dass die WKStA ihn angeklagt habe, weil er einst in einem Positionspapier die Zerschlagung der Behörde gefordet habe. Vielleicht wundere die Anklage da nicht, so Bonelli.

Richter bremst Angeklagten ein

Danach begann der Richter mit seiner Befragung, wie schon bei Kurz' Einvernahme spielte er Tonaufnahmen von Bonellis Auftritt im U-Ausschuss vor. Bonelli erklärte etwa, dass man eine "Notsituation wegen der Frauenquote" im Öbag-Aufsichtsrat gehabt habe nach der kurzfristigen Absage der potenziellen Aufsichtsratschefin Christine Catasta. Daraufhin habe man verschiedene andere Kandidatinnen überlegt – und Kurz habe die doch kennenlernen sollen, weil er als Kanzler der Republik die Verantwortungsträger der Staatsholding ja kennen sollte.

Das Ganze sei aus seiner Sicht von Thomas Schmid sehr unprofessionell abgewickelt worden. Und, so wie Kurz betonte auch Bonelli, dass Schmid auf Machtfülle aus gewesen sei. Er selbst sei "sicher kein großer Freund" von ihm gewesen, man habe aber professionell zusammengearbeitet. Vor der Mittagspause kam Bonelli dann auf andere Chats zu sprechen, die seine Sicht der Dinge darlegen sollen - da bremste ihn der Richter aber ein: "Sie machen hier ein bisschen die Beweiswürdigung für mich."

Nach der Mittagspause war dann die WKStA am Zug, ihre Fragen wollte Bonelli aber nicht beantworten - nur ausgewählte, wenn der Richter sie wiederholte. Mit Schmid sei jedenfalls "Emotionalität" verbunden gewesen, der habe ihn sinngemäß immer wieder geärgert, erzählte Bonelli. Antworten verweigerte er auf Fragen, was in einzelnen Chats ("Kanzler bittet um Abgleichung" oder Personal-Verhandeln "mit halb Österreich") gemeint gewesen sei. Weitere Fragen ohne Antwort: Ob Kern als Öbag-Aufsichtsratschef der "Kandidat des Kanzleramts" gewesen sei, ob das Kanzleramt "alles freigegeben habe", wie Schmid dann an Kern schrieb und was Kurz mit Wolf besprechen wollte.

Dann war wieder Kurz an der Reihe, weil Richter Radasztics eine Nachfrage zu einem Chat hatte - da ging es darum, was die Frage ob Stephan Koren "dann auch hält" bedeutet. Der Exkanzler meinte, das sei vielleicht keine schöne Formulierung, aber wichtig, wenn jemand als Minister im Gespräch sei.

Am Schluss gab Richter Radasztics den weiteren Fahrplan bekannt: Am 17. November soll Thomas Schmid aussagen, außerdem will er Löger und Blümel sowie FPÖ-Verhandler Arnold Schiefer hören. Als Termine setzte er zudem den 11., 15. und den 18. Dezember 2023 an. Die WKStA beantragte auch die Anhörung von Öbag-Personal wie Christina Catasta und Helmut Kern; zudem soll Unternehmer Siegfried Wolf erscheinen. Als weitere Zeugen wollen die Staatsanwälte Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), Bonellis Vorgänger als Kabinettschef Bernd Brünner sowie den Unternehmer Günther Helm sehen.

Kurz' Verteidiger Otto Dietrich beantragte neben Kern und Helm auch die Öbag-Aufsichtsratsmitglieder Susanne Höllinger und Iris Ortner. Diese könnten bezeugen, dass Kurz keinen Einfluss ausgeübt habe. Richter Radasztics behielt sich eine Entscheidung vor, zunächst wolle er Schmid, Löger, Blümel und Schiefer hören.

DER STANDARD berichtete live ab 9.30 Uhr. (Fabian Schmid, Renate Graber, 23.10.2023)

Ticker-Nachlese, Tag 3: Thomas Schmid soll am 17. November aussagen