Wien - Ein schlechtes Zeugnis stellt die Historikerkommission dem Nachkriegs-Österreich im Umgang mit der Restitution der österreichischen Staatsbürgerschaft aus. Erst 1993 sei ein Zustand hergestellt worden, "der als einigermaßen zufriedenstellend zu beurteilen ist". Das "Grundmuster" der Nachkriegspolitik: Verbunden mit einer formalen Gleichstellung aller Personen wurden strukturbedingt negative Aspekte für die vertriebenen Juden in Kauf genommen. Auslöser des Problems: die Nationalsozialisten aberkannten Juden die Staatsbürgerschaft, und zwar zunächst einzeln und per Bescheid. Eine Zahl für betroffene österreichische Juden gibt es nicht, wurde doch nur eine Gesamtstatistik geführt. 1941 ging man dann von den Einzelbescheiden ab und entzog die Staatsbürgerschaft kollektiv über eine entsprechende Verordnung. Die Regelung Die Staatsbürgerschaftsüberleitung 1945 knüpfte dann aber an den 13. März 1938 an und fingierte die Weitergeltung des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes von 1925. Das bedeutete, dass nur jene Vertriebene, die am 13. März 1938 österreichische Staatsbürger gewesen waren und in der Zeit zwischen 1938 und 1945 nicht eine fremde Staatsbürgerschaft angenommen hatten, am 27. April 1945 österreichische Staatsbürger waren. Damit erlangten jedoch all jene, die von den Nationalsozialisten ausgebürgert worden waren und inzwischen eine andere Nationalität angenommen hatten, die Staatsbürgerschaft nicht mehr. Zum Vergleich: Deutschland hielt in seinem Grundgesetz fest, dass alle Vertriebenen und all deren Nachfahren automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. In Österreich wird erst seit 1993 von den ehemaligen Staatsbürgern nicht mehr die Aufgabe einer fremden Staatsangehörigkeit gefordert und auch die Voraussetzung einer Wohnsitzbegründung, also in Österreich zu wohnen, wurde fallen gelassen. Erstmals gab es auch 1993 eine Befreiung von den hohen Einbürgerungs-Gebühren für die Vertriebenen. Die unzureichende Regelung des Staatsbürgerschaftswesens wirkte sich vor allem dort aus, wo die österreichische Staatsbürgerschaft Voraussetzung für Entschädigungsmaßnahmen war, etwa bei der Opferfürsorge. Erst sei vergangenem März können auch im Ausland lebende Betroffene Pflegegeld aller Stufen beziehen. Diese Sozialmaßnahme ist Teil des im Jänner 2001 in Washington geschnürten Entschädigungspakets. "Lex Kokoschka" Dass der heimischen Art, Probleme zu lösen, selbst ein Bundeskanzler manchmal ohnmächtig gegenüber stehen kann, zeigt folgende Anekdote: Ende der sechziger Jahre kam es zur so genannten "Lex Kokoschka". Die Restitution der Staatsbürgerschaft Oskar Kokoschkas wurde automatisch in die Wege geleitet - allerdings nur bei Wohnsitzbegründung in Österreich. Der Künstler wollte jedoch nicht nach Österreich ziehen. Worauf der damalige Kanzler Bruno Kreisky mitteilte, Kokoschka habe in der Armbrustergasser - also an Kreiskys Adresse - seinen Wohnsitz genommen. Erst daraufhin erhielt der Maler die österreichische Staatsbürgerschaft zurück. Judenfeindliche Züge Als einen anderen "problematischen Aspekt" der Weitergeltung des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes von 1925 sieht die Historikerkommission dessen restriktive Handhabung im Österreich der Ersten Republik. Auf Grund einer Auslegung des Staatsvertrages von St. Germain wurde Juden aus den östlichen Kronländern der ehemaligen Donau-Monarchie nämlich bereits damals aus rassischen Gründen die Staatsbürgerschaft verweigert. Nur wer Deutsch sprach, konnte damals Österreicher werden. Damit sei "ein judenfeindlicher Missstand" der Ersten Republik perpetuiert worden. Diese Lücke sei überhaupt erst mit der Staatsbürgerschaftsnovelle 1998 geschlossen worden. Dem krass gegenüber stehen Initiativen, andere Gruppen so schnell als möglich wieder einzubürgern - wie die politische Verfolgten, "reichsdeutsche Frauen", die ihre österreichische Staatsbürgerschaft durch Eheschließung verloren hatten und auch ehemalige Nationalsozialisten, die nach 1933 ausgebürgert worden waren. (APA)