Wien - Die 1998 eingesetzte Historikerkommission zum Umgang mit der NS-Vergangenheit hat am Donnerstag Zwischenberichte mit einem Umfang von insgesamt 4.000 Seiten präsentiert. Damit liegt rund ein Fünftel des Gesamtvolumens vor, der große Rest soll im November folgen. Abgeschlossen sind nun die Bereiche "Staatsbürgerschaft" und "Staatsvertrag" sowie die juristischen Aspekte der Rückstellung. Aus den nun vorliegenden Reporten lässt sich vor allem eines ablesen: Die Republik Österreich hat den NS-Opfern den Zugang zu Gerechtigkeit und Entschädigung nicht leicht gemacht. Ihren Endbericht will die Kommission im November vorlegen, kündigte ihr Vorsitzender Clemens Jabloner, der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, an. Dann sollen auch eine Einschätzung und eine Interpretation vorgelegt werden. Mit der Vorlage der fertigen Teile habe man aber nicht warten wollen. Zum einen warteten die Wissenschafter auf die Vorlage ihrer Werke. Vor allem aber wolle man die Informationen für die anlaufenden Verfahren nach dem Entschädigungsfondsgesetz zur Verfügung stellen. Themenkreise "Zwangsarbeit" und "Entzug von Mietrechten" Bereits bekannt sind auch die Untersuchungen zu den Themen "Zwangsarbeit" und "Entzug von Mietrechten" - für beide Bereiche hat Österreich inzwischen Entschädigungsmodelle gefunden. Sowohl an ehemalige NS-Zwangsarbeiter als auch an NS-"Arisierungs"-Opfer, denen Mietrechte entzogen wurden, sind die Auszahlungen schon am Laufen. Umfassende Untersuchungen stehen noch aus u.a. zu den Themenbereichen Roma und Sinti, Rückstellungen bei Vereinen, Unternehmen, der katholischen Kirche, der israelitischen Kultusgemeinde (IKG), der Handhabung des Steuerrechts, den Umgang mit Homosexuellen und politische Verfolgten vorgelegt. Eine "Globalbilanz" über Vermögensraub und Restitution werde es aber auch im Herbst nicht geben, so Jabloner: "Ob es gelingen wird, eine zahlenmäßige Bilanz zu ziehen, ist sehr zweifelhaft." Probleme bei der Umrechnung stünden dem genauso im Weg wie die teilweise schlechte Aktenlage. Kommissions-Mitglied Alice Teichova ergänzte, dass die 1938 bestehenden jüdischen Vermögen relativ leicht erfasst werden könnten, nicht aber die erfolgten Restitutionen. Einen Zusammenhang zwischen den ausständigen Berichten und den in den USA noch anhängigen Restitutionsklagen wies Jabloner zurück. Bei den Restitutionsverhandlungen in den USA seien die Berichte zwar noch nicht vorgelegen, man habe über weiter Bereiche die Fakten aber bereits erfasst gehabt. Kein vorbildliches Verhalten "Vorbildlich hat sich die Republik Österreich nicht verhalten. Gut hat sie sich auch nicht verhalten", so Jabloner in einer Gesamtschau zu den nun vorgelegten Berichten - um hinzuzufügen: "Sie hat den Gegenstand (die Rückstellung entzogenen Vermögens, Anm.) privatisiert. Es wurde nicht als ein Staatsziel betrachtet." Problematisch gewesen sei im Zusammenhang mit den vor allem auf Druck der Alliierten entstandenen Rückstellungsgesetzen vor allem der Zugang zum Recht, jedes Opfer habe als Kläger sein Recht suchen müssen. Ausgehend von der Opferthese sei man nicht bereit gewesen, die Rückstellung als "Staatsaufgabe" zu betrachten. Auch Jabloners Urteil in Sachen Staatsbürgerschaft fiel denkbar negativ aus. Juden sind in der NS-Zeit auf zwei Wegen ausgebürgert worden, zuerst individuell per Bescheid, dann kollektiv per Verordnung. 1945 wurde dann das Staatsbürgerschaftsgesetz von 1925 wieder in Kraft gesetzt, wer am 13. März 1938 Staatsbürger war, war es nun wieder. Das Problem für viele Betroffene war aber, dass auch die Ausschließungsgründe wieder in Kraft gesetzt wurden. Das bedeutet, dass die Staatsbürgerschaft nicht wiederbekam, wer in der Zwischenzeit Bürger seines Emigrationslandes geworden war. "Deutliche Signale ..." Jabloner: "Man hat also zwar eine formale Gleichstellung vorgenommen. Die Konsequenzen für den einzelnen, die strukturellen Konsequenzen aber nicht gesehen oder in Kauf genommen." Und: "Man hat also deutliche Signale ausgesendet, dass die Menschen nicht willkommen sind." Erst 1993 sei dieses Problem einigermaßen zufriedenstellend gelöst worden. Die Historikerkommission wurde am 1. Oktober 1998 eingesetzt, um "den gesamten Komplex Vermögensentzug auf dem Gebiet der Republik Österreich während der NS-Zeit sowie Rückstellungen bzw. Entschädigungen (sowie wirtschaftliche oder soziale Leistungen) der Republik Österreich ab 1945 zu erforschen und darüber zu berichten". (APA)