Brüssel - Die Schattenwirtschaft in der Europäischen Union macht derzeit geschätzte 19,6 Prozent des Bruttionlandsprodukts aller fünfzehn Unionsstaaten aus. Das entspricht einem Arbeitsvolumen von rund 28 Millionen Arbeitsplätzen. Dieses Licht ins Dunkel bringt eine Studie im Auftrag der europäischen Vertretungen der Handwerksbetriebe und der KMU (Klein- und Mittelunternehmen), die heute, Freitag, in Brüssel von der Akademie Avignon präsentiert wird. Die Studie, an der der Linzer Ökonom Friedrich Schneider maßgeblich beteiligt ist, zeigt einen deutlichen Anstieg der Schattenwirtschaft in den vergangenen Jahren. In den meisten Fällen ist die Zuwachsrate der "schwarzen Wirtschaft" höher als die der "offiziellen" Wirtschaft. Rasantes Wachstum Besonders deutlich zeigt sich dieser Trend nach einer Studie von Schneider in den deutschsprachigen Ländern. Demnach soll sich in Deutschland die Schwarzarbeit von 329,8 Mrd. € (Jahr 2001) auf 350,4 Mrd. € (Jahr 2002) erhöhen; dies entspricht einer Steigerung von 3,5 Prozent, während die Steigerung des offiziellen Bruttoinlandsproduktes den Prognosen der deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute zufolge nur bei 1,0 Prozent liegt. Dies bedeutet, dass in Deutschland wie in den vergangenen Jahren die Schattenwirtschaft drei- bis viermal schneller als die offizielle Wirtschaft wächst. In Österreich dürfte sich die Schwarzarbeit von 21,1 Mrd. € (Jahr 2001) auf 21, 8 Mrd. € (Jahr 2002) erhöhen; dies entspricht einer Steigerung von 3,1 Prozent. Vergleicht man dies mit den Prognosen der österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitute, wonach das offizielle BIP nur um 1,5 Prozent ansteigen wird, dann wird die Schattenwirtschaft doppelt so stark wachsen wie die offizielle Wirtschaft. Belastungen gestiegen Als wesentlichen Grund für das starke Anwachsen der Schwarzarbeit in Österreich werden in der Studie die stark gestiegenen Belastungen durch Steuern und Sozialabgaben, die aufgrund der einnahmenseitigen Budgetsanierung in Österreich vorgenommen wurden, genannt. Deutschland liegt mit der Größe seiner Schattenwirtschaft etwa im Mittelfeld, während sich Österreich mit 10,6 Prozent Anteil am BIP (2001) im unteren Drittel befindet. Die südeuropäischen Länder haben Schattenwirtschaften zwischen 25 und rund 29 Prozent des offiziellen Bruttoinlandsprodukts. Den höchsten Anteil der Schattenwirtschaft (die Zahlen stammen aus den Jahren 1999/2000) weisen Griechenland mit einem BIP-Anteil von 28,7 Prozent, Italien mit 27,1 und Spanien mit 22,7 Prozent aus. Danach folgen die skandinavischen Länder mit einer Schattenwirtschaft zwischen 17 und 19 Prozent. Druck auf Budgets Die öffentlichen Finanzen leiden ebenso unter der nicht angemeldeten Erwerbstätigkeit wie die Sozialsysteme, da sie die sonst vorgeschriebenen sozialen Beiträge verlieren. Gleichzeitig haben die meisten Menschen innerhalb der Europäischen Union weiterhin Zugang zum Sozialsystem und profitieren von den Vorteilen dieses Systems. Dies führt zu einem Teufelskreis: Wenn die Schattenwirtschaft zunimmt, reduziert sich gleichzeitig die Zuwachsrate der offiziellen Wirtschaft entsprechend, wodurch sich die Zahl der Arbeitslosen trotz allem nicht verringert. (Katharina Krawagna-Pfeifer, DER STANDARD, Printausgabe 5.7.2002)