Wien - "Wir sind keine Detektive und auch keine Propheten", umrissen die Chefs der Wirtschaftskanzlei Deloitte & Touche, Philip Göth und Bernhard Gröhs, die Rolle von Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die durch die jüngsten Bilanzskandale zunehmend unter Beschuss gekommen sind. Die Erwartungen der Öffentlichkeit seien teilweise unrealistisch und nicht mit der Funktion der gesetzlichen Abschlussprüfung vereinbar. Stichproben Aufgabe der Wirtschaftsprüfer sei das Aufdecken von systematischen Schwächen in der Buchhaltung und Jahresabschlusserstellung. Dazu gehöre eine grobe Risikoanalyse sowie eine Prüfung des internen Kontrollsystems. Da aus Zeitgründen nicht Tausende einzelne Geschäftsfälle überprüft werden könnten, müssten Stichproben vorgenommen werden. Große und wichtige Transaktionen würden allerdings schon detailliert untersucht. Das Aufdecken von Betrugsfällen gehöre nicht zu den Aufgaben des Jahresabschlussprüfers, meinten die Deloitte-&-Touche-Chefs. Wenn er darauf stoße, dann werde er Betrügereien selbstverständlich aufdecken. Bei einem systematischen Betrug sei die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung jedenfalls größer als bei einem Einzelbetrug, der nur durch Zufall zu entdecken sei. Aggressive Businesspläne Zu den Skandalen der jüngsten Zeit in den USA sagten Göth und Gröhs, dass sie meist im Zusammenhang mit aggressiven Businessplänen gestanden seien. Die Schätzungsbandbreiten seien erheblich, in der Regel seien eine Vielzahl von Einschätzungen gleich plausibel. Auch in den Bilanzvorschriften gebe es Graubereiche, in denen Wirtschaftsprüfer kaum Handlungsmöglichkeiten hätten. Wirtschaftsprüfungen seien jedenfalls keine Bilanzgarantie. Eine solche koste auf dem Kapitalmarkt 0,5 bis ein Prozent der Bilanzsumme. Bei einer Bilanzsumme von 150 Mrd. Euro wären das 750 Mio. bis 1,5 Mrd. Euro - eine astronomische Summe im Vergleich zu den zwei bis vier Mio. Euro Prüfungshonorar. Haftung Die Haftung der Wirtschaftsprüfer sind laut Göth und Gröhs auf ein vertretbares Entdeckungsrisiko, auf ein vertretbares Urteil basierend auf Stichproben und auf vertretbare Bewertungen beschränkt. Nach oben begrenzt war sie bis Ende vergangenen Jahres mit fünf Mio. Schilling und ist sie seit heuer mit 20 Mio. Euro. Die Erhöhung der Haftungsgrenzen sei grundsätzlich richtig gewesen, der Sprung wäre aber zu groß ausgefallen. Eine Reduktion der Obergrenze, wie sie in Aussicht gestellt sei, wäre ein richtiger Schritt. (gb, DER STANDARD, Printausgabe, 5.7.2002)