Es besteht kein Zweifel. Die Brüsseler Kritik zur Entwicklung der italienischen Staatsfinanzen hat weit reichende Folgen. Davon will aber der Wirtschafts- und Finanzminister Giulio Tremonti nichts wissen. "Die Regeln werden sich positiv auf die Haushaltspolitik 2002/2003 auswirken", kommentierte der für seinen grenzenlosen Zweckoptimismus inzwischen berüchtigte Steuerexperte. Neue Maßnahmen wie etwa Ausgabensenkungen und Einnahmenerhöhungen für die Haushaltssanierung stehen nicht auf dem Programm des Ministers. Diese wären angesichts der Eurostat-Bestimmungen angebracht. Denn die statistische EU-Behörde hat Italien untersagt, die staatliche Verbriefung aus zukünftigen Erlösen der Lotteriegesellschaft und dem Verkauf staatlicher Immobilien zur Berechnung des Haushaltsdefizits zu verbuchen. Dadurch erhöht sich die anteilsmäßige Neuverschuldung in Italien von 1,6 auf 2,2 Prozent. Ursprünglich hatten Regierungschef Silvio Berlusconi und sein Wirtschaftsminister eine anteilsmäßige Neuverschuldung von 0,8 Prozent für 2001 und von 0,5 Prozent für 2002 angegeben. Dass diese Ziele nicht zu erreichen sind, war von vornherein klar. Utopisch war auch die heuer angepeilte Wachstumsrate von 2,3 Prozent. Nun hat der Haushaltsminister zwar das Wachstum um einen Punkt heruntergesetzt. Dies konnte aber keineswegs die Zuversicht des Regierungschefs bremsen. Berlusconi verkündet für 2003 ein Wachstum von drei Prozent und einen "annähernden" Haushaltsausgleich. Nach den jüngsten Prognosen wird das Etatdefizit 2003 aber 0,8 bis ein Prozent ausmachen. Die Äußerungen der Regierung sind nur als demagogisch zu bezeichnen. Sie verwirren Wähler und EU. Und sie tragen dazu bei, dass Italiens Glaubwürdigkeit weiter sinkt. (DER STANDARD, Printausgabe 5.7.2002)