Europa
Berlin: Abgang der "Politpromis"
Kohl, Waigel, Kinkel: Letzter Arbeitstag für altgediente Abgeordnete - Einige müssen den Bundestag unfreiwillig verlassen
Es war ein bewegender Moment, als alle Bundestagsabgeordneten aufstanden, um
dem langjährigen Finanzminister Theo Waigel stehend
Beifall zu zollen. Es war die
letzte Rede des 63-jährigen
CSU-Politikers im Parlament.
Bundeskanzler Gerhard
Schröder (SPD) eilte zu ihm
und verabschiedete ihn mit
einem Händedruck. Wie für
Waigel war für eine Reihe
prominenter deutscher Politiker der letzte offizielle Arbeitstag. Das Parlament
geht in die Sommerpause, im
September steht die Bundestagswahl an.Kohl nimmt den Hut
Von einem Platz in der hinteren Reihe verfolgte Altkanzler Helmut Kohl (CDU)
das Geschehen. Er war nach
dem Spendenskandal nicht
mehr im Bundestag als Redner
aufgetreten und saß nur noch
selten auf seinem Platz in der
zweiten Reihe, auf den er nach
der Wahlniederlage 1998 verbannt worden war - er hatte
selbstverständlich die ersten
Reihe beansprucht.
Mit Kohl, der 16 Jahre Bundeskanzler war und seit 1976
im Bundestag saß, gehen frühere Mitstreiter: Ex-Sozialminister Norbert Blüm, die früheren Postminister Wolfgang
Bötsch und Christian
Schwarz-Schilling und Ex-Innenminister Rudolf Seiters.
Aber auch der frühere CDU-
Generalsekretär Heiner Geißler und die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth verlassen das Parlament. Auch der ehemalige
FDP-Außenminister Klaus
Kinkel verabschiedet sich.
Rotationen bei den Grünen
Bei den Grünen müssen
mehrere bekannte Aushängeschilder unfreiwillig aussteigen. Die profilierte Verteidigungsexpertin Angelika Beer
musste wegen des Rotationsprinzips ihres Landesverband
ihren Stuhl räumen.
Die abgelöste Gesundheitsministerin Andrea Fischer wurde von der Basis
ebenso wenig auf einen sicheren Listenplatz gesetzt wie
Hans-Christian Ströbele. Er ist
einer der letzten Vertreter des
linken Flügels der Grünen und
versucht nun, über ein Direktmandat in Berlin den Wiedereinzug zu schaffen.
Der bekannte Haushaltsexperte Oswald Metzger fiel ebenfalls bei der Nominierung
durch die Basis durch. "Das
hat mich richtig gedemütigt
und verletzt, weil ich glaube,
ich bin ein Leistungsträger.
Ich fühle mich schon als Opfer", sagte er zum STANDARD. Er
will sich einen Job in der freien Wirtschaft suchen. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 6.7.2002)