Etat
Jürgen Richter tritt als BertelsmannSpringer-Chef zurück
Konsequenz aus Verkaufsbeschluss - Nachfolgerin ist Renate Krümmer
Überraschender Abgang von Jürgen
Richter: Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Fachverlagsgruppe
BertelsmannSpringer (Berlin) kündigte am Freitag seinen Rücktritt an.
Richter verlasse Bertelsmann auf eigenen Wunsch, teilte der Konzern
in Gütersloh mit. Der 60-Jährige, der bisher als der "Feuerwehrmann"
von Thomas Middelhoff für heikle Aufgaben galt, zieht damit die
Konsequenzen aus der vom Bertelsmann-Vorstandschef verkündeten
Entscheidung, die 70 Verlage umfassende Gruppe zu verkaufen.Nachfolgerin Renate Krümmer
Richters Nachfolgerin Renate Krümmer (45), die nach Stationen bei
Bertelsmann und T-Mobil zuletzt für einen Finanzinvestor tätig war,
soll nun das Verlagshaus für einen neuen Besitzer vorbereiten. Mitte
Juni hatte Middelhoff verkündet, dass BertelsmannSpringer weder den
Anspruch der Gütersloher auf Marktführerschaft erfüllt, noch in das
Konzept eines integrierten Medienunternehmens passt. Gleichzeitig
hatte er den Ausbau des Musikgeschäfts angekündigt, zu dem auch der
Kauf für schätzungsweise 3 Mrd. US-Dollar (3,06 Mrd. Euro) des
Musiklabels Zomba mit Stars wie Britney Spears, Back Street Boys und
N'Sync gehört.
Persönliche Enttäuschung über Verkaufsabsichten
Als größter deutscher Fachverlag gilt BertelsmannSpringer mit
seinen 70 Einzelverlagen aus Wissenschaft, Verkehr und Bau und einem
Jahresumsatz von 749 Mill. Euro (2000/2001) in der von Krisen
geschüttelten Bücherbranche als sehr lukrativ. So dürfte bei Richters
Rücktritt auch persönliche Enttäuschung über die Verkaufsabsichten
des Bertelsmann-Chefs mit im Spiel gewesen sein. Noch vor gut einem
Jahr hatte Middelhoff den früheren Vorstandschef des Axel Springer
Verlags zu einer Schlüsselfigur für den möglichen Börsengang des
Medien-Multis auserkoren.
Vorsitzender des Pixelpark-Aufsichtsrat
Zusammen mit vier weiteren "Top-Bertelsmännern" sollte Richter den
Konzern für den Börsengang fit machen. Diesem Steuerungskomitee wird
er nicht mehr angehören. Middelhoff hatte sich damals über eine
hausinterne Regelung hinweg gesetzt, wonach Bertelsmann-Manager mit
Erreichen des 60. Lebensjahres aus dem operativen Geschäft aussteigen
müssen. Noch zu Jahresbeginn hatte der Sanierer Richter den Vorsitz
im Aufsichtsrat des angeschlagenen Internet-Dienstleisters Pixelpark
übernommen.
Bei Pixelpark, an dem Bertelsmann mit 60 Prozent beteiligt ist,
sowie bei der börsennotierten Lycos NV (Amsterdam) und der
Universitätsdruckerei Stürz AG (Würzburg) bleibt Richter
Aufsichtsratsvorsitzender.
Richters Motto "Expansion nach Augenmaß"
Der studierte Betriebswirt gilt als ausgezeichneter Kenner der
deutschen Medienlandschaft. Als Geschäftsführer der Konzernholding
Medien-Union Ludwigshafen hatte er 1985 den vom Konkurs bedrohten
Westermann Verlag gerettet. Als besonderer Fang galt Richters Erwerb
der "Freien Presse" in Chemnitz, Ostdeutschlands größter Zeitung.
Erstmals kaufte damals ein westdeutscher Verlag ein Blatt aus den
neuen Ländern. 1994 wechselte Richter in den Vorstand der Axel
Springer Verlags AG, nur zwei Monate später wurde er dessen
Vorsitzender.
Ende 1997 verließ Richter den Axel Springer Verlag und wurde
Vorsitzender Geschäftsführer der Bertelsmann Fachinformation. Nach
dem von ihm betriebenen Erwerb des wissenschaftlichen Springer
Verlags im Oktober 1999 übernahm Richter die daraus entstandene
Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer Science & Business Media. Unter
dem Motto "Expansion nach Augenmaß" förderte er die Verknüpfung von
gedrucktem Text und Online-Informationen. "New Economy wird nur mit
Old Economy Erfolg haben", hatte er nach seinem Amtsantritt verkündet
- ein Credo, das sich angesichts der zerplatzten Internet- Blase als
vorausschauend bestätigte. (APA)