"Kampfblasen" im Swingerklub. Mit dabei Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren. "Gangbang": "Hübsche Girls bumsen um die Wette - jeder Mann kommt dran." Mit dabei minderjährige Mädchen. Ganz legal. Das so genannte Schutzalter liegt bei 14 Jahren. Mit dem Straftatbestand Zuführung zur Prostitution ist dem Besitzer des Swingerklubs nicht beizukommen. Auch wenn die Mädchen Geld dafür erhalten oder ein Geschenk, oft ist es ohnedies nur ein warmes Essen. Der Besitzer beutet minderjährige Mädchen sexuell aus, Zuhälter ist er in den Augen der Richter aber keiner. Und daher auch nicht zu belangen.
Ein unerträglicher Zustand. Das werden vor allem auch jene Menschen so empfinden, die selbst Kinder haben. Der Fall der minderjährigen Mädchen im Swingerklub - die Wiener Stadtzeitung Falter hat darüber berichtet - kann einem Albträume bereiten.
Die Mädchen kommen aus dem Heim. Sie gelten als "sozial verwahrlost", was die Sache nicht einfacher macht. Kinder, die in einem funktionierenden sozialen Umfeld aufwachsen, sind eher vor sexueller Ausbeutung geschützt als jene, die möglicherweise selbst schon Missbrauch in der Familie erlebt haben, die zwischen Heim und Straße pendeln. Sie sind anfällig für eine falsch verstandene Zuneigung, für soziale Anerkennung, auch wenn sie diese nur im Swingerklub erfahren, für "Vaterfiguren", auch wenn diese sie zum "Kampfblasen" mit völlig Fremden überreden.
Es ist eine gesetzliche Lücke. Ebenso wie der Umstand, dass minderjährige Prostituierte ständig selbst bestraft werden, die Freier (oft mit Kindersitz im Auto) aber ungeschoren davonkommen.
Die ÖVP will dem etwas entgegensetzen. Die Aufhebung des Paragrafen 209, der homosexuelle Beziehungen zwischen Personen über und unter 18 Jahren unter Strafe stellt, bietet den Anlass dazu. Es ist kein Schnellschuss, wie kritisiert wird, es ist Vorsatz: Die ÖVP weiß, was sie tut, und sie hat die Ersatzregelung für den Paragrafen 209 lange vorbereitet. Was es noch schlimmer macht.
Es ist ein Gesetz, das sich Abgeordnete ausgedacht haben. Auf die Beratung durch Experten wird großzügig verzichtet, ebenso auf eine Behandlung im Justizausschuss oder auf eine Begutachtung. Kriegt Klubobmann Andreas Khol sein Gesetzesvorhaben am Montag bei seinen Abgeordneten durch, soll es bereits am Dienstag mit schwarz-blauer Mehrheit im Parlament beschlossen werden.
Es gibt unzählige Beispiele, die belegen, dass Richter mit Missbrauchsfällen oft nicht umgehen können, es ist immer auch eine Frage der persönlichen Wertvorstellungen.
Der Entwurf der ÖVP erkennt zwar einen gesetzlichen (und gesellschaftlichen) Missstand, schießt aber weit über das Ziel hinaus. Jugendliche sind nicht nur zu schützen, sie haben auch Rechte. Und die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen hat einen äußerst verantwortungsvollen Umgang mit Sexualität.
Der ÖVP-Entwurf wird dem nicht gerecht. In seinem Zentrum steht etwa "der Schutz noch nicht sexuell reifer Jugendlicher unter 16 Jahren vor Ausnutzung ihrer mangelnden Reife durch altersbedingte Überlegenheit des Verführers". Wer definiert mangelnde Reife? Der Richter? Die Eltern? Der türkische Vater, der nicht will, dass seine Tochter mit einem Österreicher geht? Und was ist ein "Verführer"? Was schließlich ist unter "altersbedingter Überlegenheit" zu verstehen? Zwei Jahre, drei Jahre oder vier?
Dass es einen gesetzlichen Handlungsbedarf gibt, liegt schmerzlich auf der Hand. Die ÖVP aber will Sexualität regulieren, sie will Gummiparagrafen, die letztlich mehr Schaden anrichten können, als sie tatsächlich auch vor Missbrauch schützen. Notwendig wäre ein Gesetz, das der Realität Rechnung trägt, dem Schutz von Jugendlichen gerecht wird, ohne zugleich ihre Rechte zu beschneiden, ihre Intimität zu verletzen und sie für ihr Sexualleben dem Rechtfertigungszwang vor dem Richter auszusetzen. Diese Chance vertut die ÖVP. (DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.7.2002)