Afrika
Madagaskar: Machtkampf nach Ratsiraka-Ausreise endgültig beendet
Viele Bürger wollen ihn wegen Ausplünderung des Landes vor Gericht stellen lassen
Victoria - Nach seiner Flucht auf die
Seychellen vor zwei Tagen ist der langjährige madegassische Präsident
Didier Ratsiraka (65) nach Frankreich ausgereist. Begleitet von rund
20 Familienmitgliedern und engen Mitarbeitern bestieg er am Sonntag
unter hohen Sicherheitsvorkehrungen eine Linienmaschine und sollte am
Nachmittag in Paris eintreffen. Die seit der Präsidentschaftswahl im
Dezember andauernde Regierungskrise in Madagaskar scheint damit
endgültig beigelegt. Sieben Monate lang hatte sich Ratsiraka
geweigert, den Sieg seines Kontrahenten Marc Ravalomanana
anzuerkennen. Beide lieferten sich einen erbitterten Machtkampf.
Wegen der anhaltenden Spannungen auch innerhalb der Armee drohte
Madagaskar zuletzt die Spaltung.Machtkampf entschieden
Der frühere Sozialist Ratsiraka, von 1975 bis 1993 und erneut von
1997 bis 2001 Staatschef der Insel vor der Südostküste Afrikas, war
bereits Mitte Juni vorübergehend nach Paris geflogen, und hatte damit
Spekulationen über seinen Rückzug ausgelöst. Wenig später kehrte er
aber zurück und verschanzte sich mit seinen Getreuen in seiner
Heimatstadt Toamasina an der Ostküste der Insel. Nach der Anerkennung
des neuen Präsidenten Ravalomanana durch Frankreich am vergangenen
Mittwoch galt der Machtkampf als entschieden. Frankreich, das in
seiner ehemaligen Kolonie Madagaskar bis heute über erheblichen
politischen Einfluss verfügt, hatte bis dahin als letzter wichtiger
Staat die Anerkennung des neuen Präsidenten abgelehnt.
Flucht weiterer Ex-Minister
Neben der internationalen Isolation führten offenbar auch die
Gebietsgewinne der Truppen von Wahlsieger Ravalomanana, der
mittlerweile fünf von sechs Provinzen des Inselstaates kontrolliert,
zu einem Sinneswandel in Paris. Bis zum Samstag hatten sämtliche der
zuletzt rund 600 loyalen Soldaten sowie einzelne lokale Verbündete
Ratsirakas ihren Widerstand aufgegeben. Zahlreiche Minister der
ehemaligen Regierung haben die Insel außerdem in den vergangenen
Tagen verlassen. Die Truppen Ravalomanas wollen nun nach eigenen
Angaben versuchen, die Flucht weiterer Ex-Minister der ehemaligen
Regierung zu verhindern.
Ravalomana hatte die Ausreise Ratsirakas auf die Seychellen am
Freitag begrüßt. Wenige Wochen zuvor hatte er die internationale
Gemeinschaft noch aufgefordert, seinen Kontrahenten wegen "Verbrechen
gegen das madegassische Volk" vor den Internationalen
Strafgerichtshof zu stellen. Die Bürger Madagaskars sind mehrheitlich
gegen die Straffreiheit Ratsirakas, dem sie zusammen mit seiner
Regierung die Ausplünderung des Landes vorwerfen. (APA/dpa/Reuters)