Die Anleger sind selber schuld, wenn sie Geld bei Bilanzskandalen wie Enron, Worldcom oder Vivendi verloren haben, stellte Investmentfonds-Guru Mark Mobius von Templeton fest. Sie hätten rechtzeitig erkennen können, dass die Gesellschaften in Schwierigkeiten geraten sind, haben sich aber von der allgemeinen Euphorie mitreißen lassen. STANDARD : Was raten Sie nach den Bilanzskandalen um Enron, Worldcom oder Vivendi den Anlegern? Mark Mobius : Die Flucht ergreifen ist nicht die Lösung. Besonders jetzt ist es attraktiv zu investieren, da die Preise sehr günstig sind. Aber sie müssen sich die Unternehmen sehr genau ansehen, die Zahlen prüfen, da das Management oft das Bild verschönert.

STANDARD: Wie hätte ein Anleger bei den genannten Unternehmen die Zeichen der Maläse erkennen können?

Mobius : Bei Vivendi zum Beispiel hat es so viele Akquisitionen gegeben, die noch dazu teuer waren. Das sind klare Zeichen, dass ein Unternehmen in Schwierigkeiten kommen könnte. Um das zu erkennen, braucht man kein Wunderwuzzi zu sein. Aber die Euphorie hat die Anleger mitgezogen. Ein anderes negatives Signal wäre der Rücktritt eines Mitglieds der Geschäftsführung.

STANDARD: Was sehen Sie sich an, bevor Sie in ein Unternehmen investieren?

Mobius : Ich gehe nach einigen Regeln der Corporate Governance (Wohlverhalten des Unternehmens) vor: 1.) Die Aktien sollten jede Person zur Stimme berechtigen. 2.) Die Leute müssen wählen dürfen, ohne gezwungen zu sein, zu einer Hauptversammlung zu gehen, die vielleicht auch noch an einem abgelegenen Ort stattfindet. 3.) Kontrollierende Aktionäre sollen keine Sonderrechte haben. Beispielsweise kassieren diese in Lateinamerika zum Teil Sonderdividenden oder Sonderkonditionen. 4.) Die Wahl der Geschäftsführung geht häufig auf Kosten der kleinen Aktionäre. Sie sollte nach bestimmten Prozentsätzen stattfinden. STANDARD : Sollten die Unternehmen vom Staat gezwungen werden, diese Regeln auch einzuhalten? Mobius : Der einzige Weg ist, in Unternehmen zu investieren, die die Regeln einhalten. Und die kleineren Investoren wie Pensionsfonds und die Fondsmanager sollten sich zusammentun, um mehr mitreden zu können. Das Beispiel Worldcom zeigt, dass der Staat nicht effektiv ist. Es gibt Leute, die sagen, dass die SEC (US-Börsenaufsicht) ihren Job nicht gemacht hat. Aber ich sage auch: Die Aktionäre haben geschlafen, sie sind selbst daran schuld, dass sie ihr Geld verloren haben. Einziges Mittel gegen künftige Wiederholungen solcher Fälle ist das Engagement. STANDARD : Haben Sie sich deshalb am 28. Juni in den Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Lukoil wählen lassen? Mobius : Ja. Ich glaube, dass Fondsmanager generell diese Verantwortung viel öfter übernehmen sollten. Leider ist ihnen das Risiko oft zu hoch. Wir müssen endlich lernen, uns nicht als Aktionär, sondern als Miteigentümer zu sehen. STANDARD : Sie sind schon länger ein Fan der Wiener Börse. Wie wird sie sich in den nächsten drei Jahren entwickeln? Mobius : Sie wird weiter hinaufgehen. Wien ist ein Hafen der Stabilität in der Aktienwelt. Das Management ist gut, das Verhalten der Unternehmen auch halbwegs zufrieden stellend. Derzeit bin ich mit 200 Millionen Dollar in Wien investiert. JoWood ist mein jüngster Einkauf. Ansonsten setze ich auf Erste Bank, OMV, BBAG, Mayr-Melnhof und Wienerberger. (DER STANDARD, Printausgabe 8.7.2002)