Wien - Der österreichische Corporate Governance Kodex, eine Art Zehn Gebote für Unternehmen, vor allem solche, die den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen wollen, sollte noch heuer fertig gestellt werden, hofft der Finanzvorstand der BBAG, Wolfgang Berger-Vogel.

Der erste Entwurf dazu, der von der Österreichischen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (ÖVFA) sowie dem Institut Österreichischer Wirtschaftsprüfer (IWP) mit Unterstützung des Regierungsbeauftragten für den Kapitalmarkt, Richard Schenz, ausgearbeitet wurde, müsste allerdings noch gründlich durchforstet werden. Er enthalte 111 Regelungen, wogegen das deutsche Pendant, der Cromme-Kodex, mit 69 Bestimmungen und die OECD-Richtlinien mit deren 30 auskämen.

Wichtiger Baustein

Grundsätzlich sei die Erstellung eines solchen Kodex "gut und richtig", meinte Berger-Vogel im Gespräch mit dem STANDARD. Er sei ein wichtiger Baustein für die weitere Entwicklung und Belebung des heimischen Kapitalmarktes, da damit das Vertrauen der Anleger maßgeblich gefördert werde. Vor allem kleinere Unternehmen, die einen Börsengang planten, hätten ohne einen solche Kodex keine guten Karten.

So wichtig ein solcher Kodex, der vor allem die Aufgaben der drei Gesellschaftsorgane - Hauptversammlung (Aktionäre), Vorstand und Aufsichtsrat - definieren und regeln soll, auch sei, so sehr bestehe aber die Gefahr einer Überregulierung und Verzettelung, mahnte Berger-Vogel. Aus diesem Grund sollten auch die Börsenvorschriften und der Compliance-Code (Benimmregeln für alle Kapitalmarktteilnehmer) in den Kodex eingearbeitet werden.

Aufgabentrennung

Großen Wert legt der BBAG-Finanzvorstand auf die Beibehaltung der klassischen Trennung der Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat. Daher missfällt ihm der Vorschlag, wonach ein vom Aufsichtsrat einzurichtender Rechnungslegungs- und Prüfungsausschuss "die Prämissen der vom Vorstand vorgelegten Planungsrechnungen für das Unternehmen und seine Geschäftsfelder" prüfen soll. Damit würden dem Ausschuss Kompetenzen übertragen, die ihn quasi zu einem Parallelvorstand machten.

Auch die Installierung eines Präsidialausschusses, der "die vom Vorstand vorgelegte Strategie und Planung für das Unternehmen und seine Geschäftsfelder unter Annahme unterschiedlicher Szenarien und deren Realisierungsmöglichkeiten" erörtert und "die innere Verfassung des Unternehmens im Hinblick auf seine operative Stärke, Effizienz und Potenziale zur Erreichung der gesteckten Ziele" beurteilt, hält er für überflüssig. All das seien grundsätzliche Aufgaben des Vorstandes. Der Aufsichtsrat sei ein Kontrollorgan mit beratender Funktion. Seine Aufgaben sollten klar von denen des Vorstandes getrennt bleiben.

Unabhängigkeit

Kritik erntet auch der Passus, wonach im Vorstand "eine ausreichende Anzahl an unabhängigen Mitgliedern" zu gewährleisten sei und die Unabhängigkeit dann gegeben sein soll, "wenn die Anzahl der ausgeübten Aufsichtsratsmandate überschaubar ist" und "kein Verwandtschaftsverhältnis zu Organmitgliedern" besteht. Was hat die Zahl der Aufsichtsratsmandate mit Unabhängigkeit zu tun, fragt Berger-Vogel. Und das Thema Verwandtschaftsverhältnis sei in einem Land, in dem Aktiengesellschaften aus Familienbetrieben entstanden seien, eher realitätsfremd.

Neue Vorschläge

Berger-Vogel geht davon aus, dass bei der nächsten Sitzung des Arbeitskreises für Corporate Governanceam 11. Juli auch Vertreter der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer teilnehmen werden und dass deren Vorschläge bei der Erstellung des Kodex entsprechend berücksichtigt werden. (Günter Baburek/DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2002)