Freetown - Gekleidet in traditioneller grüner Robe erscheint der alte Rebell mit Rasta-Frisur vor dem höchsten Gericht der westafrikanischen Republik Sierra Leone. Foday Sankoh, Chef der Rebellenorganisation "Revolutionäre Vereinigte Front" (RUF), muss sich in Freetown zusammen mit 49 Gefolgsleuten wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Dem greisen Mann droht die Todesstrafe im Falle eines Schuldspruchs. Doch der 70-jährige Rebell scheint den Ernst der Lage verkannt zu haben: "Ich bin überrascht verurteilt zu werden, weil ich doch der Chef der Welt bin". Dabei müsste Sankoh sich um seine persönliche Zukunft Sorgen machen. Ihm droht ein Prozess ohne Verteidigung. Mitleid, Selbstkritik und Einsicht waren nie die Stärken des Ex-Generals. Vor einigen Wochen machte Sankoh vor dem höchsten Gericht des westafrikanischen Landes einen völlig verstörten Eindruck und gab sich größenwahnsinnig. Mit Blick auf die Präsidenschafts- und Parlamentswahlen in dem vom Bürgerkrieg geschundenen Land, bei der die RUF im Mai eine Niederlage hinnehmen musste, sagte Sankoh: "Das Land redet über Wahlen, während ich hier der Chef bin". RUF ist pleite Erst vor einer Woche hatten die Behörden des Landes seinem nigerianischen Anwalt Me Edo Okanya die Zulassung verweigert, weil er angeblich nicht kompetent und erfahren genug sei. Jetzt erhält der Nigerianer zwar von der Anwaltskammer eine Lizenz, doch die ist zeitlich befristet. Sollte die Lizenz nicht verlängert werden, müssen Sankoh und seine Gefolgsleute sich wohl selbst verteidigen. Die RUF ist pleite und kann selbst keinen Anwalt engagieren. Allerdings mehren sich auch die Forderungen, Sankoh einen Anwalt zuzuteilen, damit der Prozess fortgesetzt werden kann. In einem Mordprozesse sei es die Verpflichtung des Staates, dem Angeklagten einen Anwalt zu Verfügung zu stellen, wenn dieser sich keinen leisten könne. Sankoh und die anderen Beschuldigten müssen sich gegen Vorwürfe verteidigen, die von Diebstahl bis Mord reichen. Für einen Vorfall im Mai 2000 droht ihnen sogar die Todesstrafe: Sankohs Sicherheitskräfte eröffneten damals auf eine Demonstrantenmenge vor dem Palast des Rebellenführers in Freetown das Feuer und töteten dabei zwei Dutzend Menschen. Der Prozess gegen den Ex-Rebellenchef wurde am 4. Mai in Freetown eröffnet. Nach sieben Vertagungen landete der Fall schließlich vor dem Obersten Gericht, vor dem Sankoh am Mittwoch erscheinen soll. Im Bürgerkrieg wurden seit 1991 in Sierra Leone zwischen 100.000 und 200.000 Menschen getötet, Tausende wurden verstümmelt, sexuell missbraucht oder von der RUF zwangsrekrutiert. Ex-General Sankoh könnte der wichtigste Angeklagte sein vor einem gemischten Tribunal, dessen Gründung das Parlament in Freetown und die UNO im Jänner zugestimmt hatten. Ein Urteil des Sondergerichts wird erst für Ende des Jahres erwartet. (APA)