Mensch
Eine Seuche junger Frauen
Familienforscherin sieht Verschiebung: "Mädchen sind leichter zu infizieren und bedrohter als Burschen"
Barcelona - Aids droht eine Seuche besonders der jungen Frauen zu werden. "Mädchen sind leichter zu infizieren und sind
bedrohter als Burschen." Das sagte Suman Mehta, Aids-Koordinatorin
des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, der größten
Organisation für Familienplanung. Besonders in Afrika würden ältere
Männer junge Frauen und Mädchen zum Sex drängen, sagte Mehta am
Dienstag auf der Welt-Aidskonferenz in Barcelona. Der niedrige
soziale Status der Frauen ermögliche es ihnen kaum, die Männer
abzuweisen. Beim Sex mit HIV-Infizierten stecken sich Frauen zudem
leichter mit dem Erreger an als Männer. Fünf Millionen Menschen hätten sich 2001 neu mit Aids infiziert,
75 Prozent davon beim Sex, die Hälfte davon seien junge Frauen,
ergänzte Mehta. Diese Zahlen seien der Grundstein für die immer
schnellere Verbreitung der tödlichen Immunschwächekrankheit, ergänzte
Peter Piot, oberster Aidsexperte der UN. Denn Männer infizierten sich
meist erst später mit dem Virus. "Wenn jetzt mehr Frauen früher
sterben, müssen später mehr Männer Sex mit einer kleineren
Frauengruppe haben - das erhöht das Verbreitungsrisiko", rechnete
Piot vor.
Gesundheitserziehung tut Not
Mehta verlangte mit Nachdruck die Versorgung junger Menschen mit
haltbaren, passenden und billigen Kondomen in einer aufgeklärten,
vorurteilsfreien Umgebung. Dies sei eine Hauptvoraussetzung, um die
Aids-Epidemie zu stoppen. Dazu gelte es, die Gesundheitserziehung
drastisch zu verbessern. Zahlreiche kleine Projekte in aller Welt
hätten gezeigt, dass und wie dieses Ziel zu erreichen sei. "Diese
Ergebnisse müssen jetzt auf ganze Staaten übertragen werden." Ein
Mittel dafür sei ein Kondom für Frauen. Wo sie getestet wurden, seien
die Ergebnisse ermutigend gewesen.
Zeitverschwendung?
Piot - Chef des Aidsbekämpfungsprogramms UNAIDS der Vereinten
Nationen - warf den Pharmafirmen gleichzeitig vor, ein Jahrzehnt bei
der Entwicklung chemischer Verhütungsmittel (Mikrobizide)
verschwendet zu haben. Solche Produkte werden momentan in zahlreichen
Studien getestet. Sie sollen als durchsichtiges, geruchs- und
geschmacksloses Gel in die Scheide eingeführt werden und gleichzeitig
Spermien und Aids-Viren zerstören. Die Mikrobizide könnten Frauen
unbemerkt von den Männern anwenden. Vorteilhaft wäre das besonders in
Afrika.
"Ich fürchte um die Jungend", sagte Benjamin Raletsatsi, Mitglied
einer Gruppe für Familienplanung in Botswana. Die Mehrzahl der
Infizierten wisse gar nicht, dass sie HIV-positiv seien. Oder traue
sich aus Furcht vor Ausgrenzung nicht, zum Arzt zu gehen. Oder wisse
gar nicht erst, was Aids sei und wie sich die Infektion verhindern
lasse. Die Jugendlichen brauchten diese Informationen aber jetzt,
"bevor es zu spät ist". (APA/dpa)