Solche Domestiken wie Hofmannsthals "Unbestechlicher", eine wunderschöne, ausgesprochen donaumonarchische, im Übrigen dem Beaumarchais abgeschaute Typenerfindung, werden nicht für ihre unschätzbaren Handreichungen für die Herrschaft ("Theodor, richt' er mir das Mansardenzimmer!") gewürdigt. Vor allen anderen Obliegenheiten müssen diese Dienstverpflichteten für die sittliche Würde der ihr vorgesetzten Klasse Sorge tragen. Denn einzig an ihrem ausgleichenden Eifer bewährt sich die Haltbarkeit eines Gesellschaftsvertrages, der einer jeden Herrschaft erst dann die ihr zustehenden Privilegien einräumt, wenn sie sich auch sittlich dementsprechend tadellos aufführt.
Womit wir auch wieder beim Figaro wären, mit dessen Notwehrrecht Vera Sturms Reichenauer Inszenierung von Der Unbestechliche im Kurtheater kaum jemals kokettiert. - Als hätte der Kopfdichter Hofmannsthal dem in Reichenau kurenden Leibarzt Schnitzler im lauen Taumel irgendwelcher Sommerlüfte, anno 1923 zudem mit kolossaler welthistorischer Verspätung, ein kleines, ehehygienisches Billett nachgesendet.
Nur ist der eigentliche Adressat inzwischen verzogen: Das Großbürgertum, welches die ihm zustehenden Annehmlichkeiten einst als selbstverständliche Zurüstung für seine staatserhaltende Sendung empfunden haben mag, hat sich in die Diaspora des globalen Dienstleistungsmarktes verflüchtigt. Wer heute den größten Luxus genießt, muss sich wenigstens vorgaukeln können, er habe ihn kraft seines Fleißes von Rechts wegen erworben.
Alle diese Gedankengänge mögen nur belegen helfen, warum dieser Reichenauer Unbestechliche eine rechte Gespensterparty geworden ist: ein hilfloses Saugen an den welken Zitzen einer rettungslos in Vergessenheit geratenen Lebensart. Annemarie Düringer scharrt als Baronin, deren liederlicher Sohn Jaromir sich die Freundinnen ins Haus lädt, in dem doch auch die anmutige Gemahlin (Anna Franziska Srna) und die Kinder residieren, mit dem Gehstock hilflos im bloß eingebildeten Kies. Als stünde dort etwas Lichtes geschrieben.