Wirtschaft
Klage gegen Cheney
US-Vizepräsident von Vergangenheit eingeholt - Enttäuschung nach Bush-Rede
Washington - Nach tagelangen Diskussionen um
umstrittene Aktienverkäufe von US-Präsident George W. Bush Anfang der
90er Jahre ist nun auch Vizepräsident Dick Cheney von der
Vergangenheit eingeholt worden: Die Anti-Korruptions-Initiative
Judicial Watch reichte am Mittwoch Klage gegen ihn und das früher von
ihm geleiteten US-Öl-und Baukonzerns Halliburton wegen angeblich
betrügerischer Bilanzierungspraktiken während dessen Amtszeit an der
Spitze des Unternehmens ein. Das Weiße Haus und eine Sprecherin
Cheneys wiesen die Klage als unbegründet zurück. Der von Bush am
Vortag vorgestellte Maßnahmekatalog für ein härteres Vorgehen gegen
Wirtschaftskriminalität wurde von der US-Presse mit Enttäuschung
aufgenommen. Wie Judicial Watch in Washington mitteilte, betrifft die Klage
neben Cheney weitere leitende Angestellte von Halliburton sowie das
Wirtschaftsprüfungsunternehmen Arthur Andersen. Eine betrügerische
Umstellung der Geschäftsbilanzen habe während Cheneys Amtszeit an der
Spitze des Konzerns "zu einer Überbewertung der Unternehmensaktien
und einer Irreführung der Anleger geführt", hieß es. Die angestrebte
Schadenersatz-Summe bewege sich im Bereich mehrerer Millionen Dollar,
sagte Judicial Watch-Sprecher Larry Klayman in Miami vor
Journalisten. Tausende Kleinanleger seien geschädigt worden.
Aufgeblähte Umsätze
"Halliburton hat die Umsätze um Zigmillionen Dollar zu hoch
ausgewiesen, und das ist noch ein Untertreibung", erklärte der
Vorsitzende von Judicial Watch, Larry Klayman. Cheney führte
Halliburton von 1995 bis 2000. Die aufgeblähten Umsätze seien wegen
einer veränderten Buchungsmethode entstanden, was Halliburton aber
entgegen der Vorschriften nie veröffentlicht habe, sagte Klayman
weiter. Nach einem Bericht der "New York Times" vom Mai wurde die
umstrittene Buchungspraxis von den Wirtschaftsprüfern von Arthur
Andersen in einer Zeit genehmigt, in der Halliburton mit einigen
langfristigen Verträgen Verluste schrieb.
Ungünstiger Zeitpunkt
Die Klage gegen Cheney kommt zu einem für die US-Regierung
ungünstigen Zeitpunkt. Nach mehreren Skandalen und Zusammenbrüchen
bei großen Unternehmen hatte Bush am Dienstag eine "neue Ära der
Integrität" in der Wirtschaft angekündigt. So sollen die Haftstrafen
für bestimmte Betrugsdelikte auf zehn Jahre verdoppelt und die
Börsenaufsicht SEC gestärkt werden. Die US-Presse sah ihre
Erwartungen dennoch enttäuscht. Bushs Rede sei "enttäuschend" frei
von Vorschlägen gewesen, die künftigen Missbrauch verhindern könnten,
kritisierte die "New York Times". Es sei naiv, anzunehmen, dass die
Wirtschaft durch eine Art nationalen Ehrenkodex reguliert werden
könnte, kommentierte die "Washington Post".
Judicial Watch hat sich die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen
geschrieben. In der Vergangenheit hat die Initiative in diesem
Zusammenhang Klagen gegen Politiker aller Parteien eingereicht.
Weißes Haus weist Vorwürfe zurück
Präsidialamts-Sprecher Ari Fleischer sagte zu den Vorwürfen, in
Cheneys Büro werde die Klage als haltlos gesehen. Auch eine
Halliburton-Sprecherin sagte in Dallas: "Wir glauben nicht, dass
dieses Vorhaben einen Wert hat." Die in Frage stehende Buchführung
stehe im Einklang mit den üblichen Praktiken der Branche. Die
US-Börsenaufsicht SEC hatte im Mai Untersuchungen bei Halliburton
wegen der Buchungspraxis des Konzerns eingeleitet. Fleischer wies
Spekulationen zurück, die SEC-Ermittler könnten unter Druck gesetzt
werden. Die Börsenaufsicht werde die Ermittlungen so weit fortführen
wie nötig, sagte er. (APA/vwd)