Unverschämt" nennt VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat den Versuch des freiheitlichen Volksanwalts Ewald Stadler, in der Affäre um seine "Feuerrede" (in der er Nazidiktatur und Besatzungszeit gleichsetzte) jetzt "den Spieß umzudrehen". Sie trifft den Nagel auf den Kopf.

Der FP-Mann bemüht sich seit Tagen nach allen Regeln der rhetorischen Kunst darum, sich als Opfer einer "Unzahl von Unterstellungen und Falschinterpretationen" (wie er im Brief an Bundespräsident Thomas Klestil schreibt) darzustellen.

Seine Generallinie lautet: Er habe nur darauf aufmerksam machen wollen, dass Österreich vor Abschluss des Staatsvertrages 1955 nicht frei gewesen sei. Niemals habe er das Naziregime relativieren oder gar mit der Besatzungszeit durch die Alliierten vergleichen wollen. Vielmehr sei es ihm darum gegangen, Verbrechen und Vergewaltigungen (vor allem) durch russische Soldaten in Ostösterreich anzuklagen – Vorgänge, die dazu geführt hätten, "dass dies von den Menschen damals unmöglich als echte Befreiung empfunden werden konnte".

Diese Verteidigung ist – um es mit den Worten des stellvertretenden FP-Chefs Hubert Gorbach zu sagen – angesichts der Faktenlage "nicht tolerierbar", weil unglaubwürdig. Sie stellt eine nachträgliche Verdrehung/Beschönigung dar.

Selbst wenn viele Menschen den Einmarsch der Alliierten subjektiv nicht als Befreiung erlebt haben (etwa jene, die vergewaltigt wurden, aber auch jene, die Nazis waren), so ist es doch historische Tatsache, dass Österreich als Ganzes 1945 von einem Möderregime befreit wurde (dass alle Österreicher sich gefreut haben sollen, ist eine Beschönigung von Kanzler Wolfgang Schüssel). Stadlers berühmt-berüchtigte Rede in Seebarn ist Für jeden, der des Deutschen mächtig ist, kann es an Inhalt und Absicht der Stadler-Ausführungen keinen Zweifel geben: Er wusste ganz genau, welches krause Geschichtsbild bei der Sonnwendfeier der Niederösterreich-FP gefragt war. Offenbar rechnete er aber nicht damit, dass das später öffentlich wird.

In der kritisierten Schlüsselpassage einer Aufzählung "angeblicher" Befreiungen Österreichs heißt es: "Und es war nicht immer eine Befreiung, wie es uns die gnadenlosen Gutmenschen und Tugendterroristen, die heute Wehrmachtsveranstaltungen und Wehrmachtsausstellungen gestalten, einreden wollen, die unser Volk im vergangenen Jahrhundert erfahren hat . . . und 1945 – das ist zur Staatsideologie geworden – sind wir angeblich vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden und in die nächste Tyrannei geraten, insbesondere hier auf diesem Boden, auf dem wir uns heute befinden." Nicht ein Wort lässt der Volksanwalt über Naziverbrechen fallen. Vergewaltigende russische Soldaten kommen auch nicht vor – umso mehr Kelten, Germanen, Feuer, Volk, kulturelle Höchstleistungen über tausend Jahre. Stadlers Geschichtsbild ist ziemlich eindeutig – nicht zweideutig, wie Andreas Khol meint. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.7.2002)