Graz - Die Meisterschaft war noch keine 90 Minuten alt und Hannes Kartnig konnte die Leistung seiner Kicker schon nicht mehr sehen. Nach dem dritten Gegentor verließ der Präsident des SK Sturm Graz am Mittwoch das Schwarzenegger-Stadion, er war bereits auf dem Heimweg, als Rapid den 4:0-Sieg und damit den Sprung an die Tabellenspitze der T-Mobile-Bundesliga feierte. Während sich Sturm-Coach Ivica Osim die Sinnfrage stellte, durfte Rapid-Trainer Josef Hickersberger über ein sensationelles Trainerdebüt jubeln. "Es gibt keine Euphorie, nur Freude", sagte der frühere Teamchef.Hickersberger steigt auf die Euphoriebremse Eine kompakte Defensive und ein Konterspiel wie aus dem Lehrbuch bescherten Rapid den höchsten Sieg seit dem 6:0 über den LASK am 28. April 2001. Doch Hickersberger, der ob der erstaunlichen Leistung seiner Elf oft ungläubig nur den Kopf schüttelte, blieb zurückhaltend. Er erinnerte an die Vorsaison, als die Hütteldorfer ebenfalls mit einem Sieg gegen Sturm (3:1) und als Tabellenführer gestartet waren. "Sturm ist dann Zweiter geworden, Rapid Achter. Das habe ich den Spielern sofort gesagt", erzählte Hickersberger. Hickersberger warnt vor Admira Nach acht Jahren in der arabischen Wüste hat der Wiener das Erbe von Lothar Matthäus angetreten, um Rapid wieder in lichtere Höhen zu führen. Er übernahm die Mannschaft seines Vorgängers, spektakuläre Transfers waren wegen budgetärer Knappheit nicht zu finanzieren. Bescheiden gibt sich auch der Trainer. "Das 4:0 hat mit meiner Person wenig zu tun, ich arbeite erst fünf Wochen mit den Spielern. Ich habe versucht, Grundlagen zu schaffen, die Mannschaft hat sich gut einstellen lassen und die Vorgaben gut befolgt", so "Hicke", der vor dem nächsten Match gegen Abstiegskandidat Admira warnt: "Das wird ein ganz anderes Spiel." Herzog überrascht Gut lachen hatte letztlich auch Andreas Herzog. Der Kapitän vergab in der Nachspielzeit der ersten Hälfte einen Foulelfmeter unglücklich, weil er mit dem Standfuß ausgerutscht war. "Nach dem 4:0 kann ich über die Elferpanne auch wieder lachen. Der Sieg hat sehr gut getan, aber dass es so gut gelaufen ist, war überraschend", sagte Herzog. "Vastic come back" Im Lager der Grazer Schwarz-Weißen herrscht dagegen nach zwei Spielen und 0:7 Toren (0:4 gegen Rapid, 0:3 im Supercup gegen GAK) triste Stimmung. "Vastic come back" drückte eines der Transparente den Wunsch nach dem abgewanderten Spielmacher und glorreicheren Zeiten aus. Osim erwägt Rücktritt Osim machte seine Schützlinge mit einer Video-Vorführung der Schlappe gegen den GAK auf die Fehler aufmerksam, "aber es hat nichts genützt. Man muss damit leben. Ob es Sinn hat, weiter zu machen, ob ich noch etwas bewegen kann, diese Frage stelle ich mir. Wenn es keinen Sinn mehr hat, dann ist es das Beste, dass ich meine Kappe nehme. Ich versuche, hier noch etwas zu bewegen. Aber viele Spieler haben begonnen, locker zu leben", erklärte der Bosnier. "Die Erwartungen sind so groß" Rapid und der GAK sind für Osim die einzigen Mannschaften, die ein eingespieltes Team haben, Sturm dagegen befindet sich wie schon in der Vorsaison wieder im Umbau. Und dennoch ist das Ziel die Champions League. "Die Erwartungen sind so groß", sagt Osim, der die höchste Heim-Niederlage seiner Sturm-Ära einstecken musste. Zuletzt verloren die Blackies vor 26 Jahren ein Heimspiel so hoch - das war am 13. November 1976 in Liebenau ein 0:4 gegen Wacker Innsbruck. Kartnig: "Sportliche Krise" Kartnig schwankte zwischen väterliche Fürsorge und seiner Chefrolle. "Es hat keinen Sinn, wenn man gleich nach dem Spiel in die Kabine geht. Es hat keinen Sinn, wenn ich immer den Wauwau und den bösen Bub spiele", sagte er und nahm die beiden sportlichen Leiter in die Pflicht. "Die beiden Professoren Osim und Schilcher werden ausmerzen, was in letzter Zeit passiert ist. Osim ist jetzt gefordert. Aber ich bin zuversichtlich, dass es bis zur Champions League-Qualifikation wieder besser geht. Die Spieler harmonieren momentan nicht, es ist eine sportliche Krise, aber das kann sich schnell ändern. Man darf nicht gleich beim ersten Mal den Kopf hängen lassen", betonte Kartnig. (APA)