Calais war gleich am Ende; eine schwankende und ungenaue Spiegelung, die sich selbst nicht reicht. Zu spät für Calais. Es hat sechs Bürger, jeder von ihnen barfüßig, mit der Schlinge um den Hals, und einen, der sie anführt. Sie erreichten nichts. Calais wurde gerettet, der Rest der Bürger. Sie erreichten nichts als das Mitleid einer Königin, die Philippine hieß und die alle bewahrte, aber keinen vor sich selbst. Und wenn auch Sir Francis Drake 1588 die vor Calais ankernde spanische Armada in Angst und Schrecken versetzte - wer könnte heute Calais als einen Ort von glücklichen Einfällen aus Schlaf und Ruhmlosigkeit reißen?

Zu spät für Selbstverleugnung, zu spät für Calais. Immer noch liegt es unter der schwachen Sonne des östlichen Atlantiks, am Rand einer heftigen Bewegung, die nicht altert und sich selbst nicht kennt. Jede Stadt hat ihre Schlüssel oder glaubt, sie zu haben. Calais hat keine mehr, es hat sich selbst nicht geholfen, es ist vergessen, jede Reise führt hier vorbei. Es hat seine Gastronomie, seine Bars, Cafés und die Unterkünfte, die ihm reichen, sein Rathaus, seine Notre-Dame-Kirche, den Hochgeschwindigkeitszug, der dort hält, ein gigantisches Schnellrad und den Euro-Tunnel. Und das Monument "Les Sauveteurs", ein Lebensretterdenkmal, am hinteren Hafen. Die Schiffe fahren noch immer.

Es wäre schade, die Shoppingmall von Calais nicht zu nützen wie andere Shoppingmalls. Aber es würde Calais nicht schaden. Der nette, redselige Weinhändler bleibt derselbe. Wie das unbegreifliche und immer noch unentdeckte Calais, das Zentrum der Spitzenerzeugung und sein Wahrzeichen, der Pfau, der ihm nicht gemäß ist und den es nicht nötig hat. Wer nicht zu schwer Abschied nehmen will, versucht, aus den Briefen van Goghs zu erfahren, wann es wieder früh genug ist für Calais. War Calais je dazu gedacht, in die Nähe eines Begriffs zu rücken? Es unterbricht sich. - Doch nicht zu spät für Calais. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.7.2002)