Der serbisch-montenegrinische Bundespräsident Vojislav Kostunica soll der Armee befohlen haben, das Kommunikationszentrum der serbischen Regierung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu stürmen. Der Präsident soll Verdacht geschöpft haben, aus dem umstrittenen Gebäude im Zentrum Belgrads vom Staatssicherheitsdienst belauscht worden zu sein. Dies behauptete Generalstabschef Nebojsa Pavkovic, der nach eigenen Worten diesen Befehl verweigert habe und deshalb durch ein Machtwort des Präsidenten schleunigst pensioniert worden sei. Dass Kostunica die Armee gegen Institutionen der Landesregierung einsetzen wollte, bestätigten noch zwei Generäle - beide mittlerweile zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Die Spitzelaffäre löste in Serbien die bisher größte Krise seit der Wende vor zwei Jahren aus. Serbiens Premier, Zoran Djindjic, beschuldigte seinen politischen Kontrahenten Kostunica, die Armee usurpieren zu wollen und das Präsidentenamt missbraucht zu haben. Die Gefolgschaft des Premiers beschuldigte den Präsidenten "offen zu lügen", einige Politiker machten sogar Anspielungen auf die Verbindung Kostunicas mit zwei Mordanschlägen. Kostunica würde den militärischen Geheimdienst für innenpolitische Zwecke benutzen. Milan Protic jun., Vizepräsident der christlich-demokratischen Partei, meinte, Kostunica gehöre vors Gericht und müsste strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. "Ich habe niemals der Armee befohlen, irgendeine Institution der Landesregierung zu besetzen", erwiderte Kostunica. Seinerseits beschuldigte er den serbischen Staatssicherheitsdienst - den Premier Djindjic kontrollieren soll -, ihn persönlich und sein Kabinett zu belauschen. Der Geheimdienst soll in ganz Serbien die gleichen Spitzelanlagen benutzen, die noch unter Slobodan Milosevic installiert worden seien. Der offene Machtkampf zwischen Djindjic und Kostunica verwandelt sich allmählich in einen "speziellen Krieg", stellten einige Kommentatoren in Serbien fest. Kostunicas Demokratische Partei Serbiens (DSS) hat mittlerweile demonstrativ ihre Vertreter aus der serbischen Regierung zurückgezogen und boykottiert das Parlament. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 12.7.2002)