Den Stein ins Rollen gebracht hatte Gerhard Schröder. Als der deutsche Bundeskanzler im Februar mit aller Macht den "blauen Brief" aus Brüssel abwehrte, in dem die Bundesrepublik wegen ihres Budgetdefizits gemahnt worden wäre, rüttelte er erstmals an den Grundfesten des Euro-Stabilitätspakts. Nun ist die Debatte über das Sicherungsinstrument für den Binnenwert der Gemeinschaftswährung voll entbrannt.

Frankreichs Finanzminister Francis Mer will den Hammer ansetzen und den Pakt gleich so richtig überarbeiten. Italiens Regierung verspricht nach außen brav Budgetdisziplin - und versucht durch statistische Tricks und unrealistische Wachstumsprognosen, das Stabilitätsgebäude still zu unterspülen.

Die Angst vor der Aufweichung des Pakts geht um. Zur Rettung der Fundamente treten die kleinen Eurostaaten auf, die sich mit der Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts zu stark abgemüht haben, um nun Finessen oder Frontalangriffe der Großen akzeptieren zu können. Auch wenn sie selbst - wie Österreich bei der Bundesimmobiliengesellschaft und Niederösterreich bei der Wohnbauförderung - versuchen, rein statistisch alles auszureizen. Die Eurohüter bei der Europäischen Zentralbank äußern ob all dieser Anfechtungen unterdessen Sorge um die künftige Glaubwürdigkeit des Stabilitätspakts.

Es steht zu befürchten, dass die Debatte in der Sommerpause weitergehen wird. Dann nämlich sind in Brüssel, wo EU-Währungskommissar Pedro Solbes die geltenden Regeln nach Kräften verteidigt, die Läden heruntergelassen.

Im Herbst allerdings dürfte die Diskussion um EU-Agrarreform und Erweiterung die Stabilitätspakt-Debatte in den Schatten stellen. Die Frage ist nur, ob die Kritiker des Pakts nicht die Chance nutzen werden, um weiter an Terrain zu gewinnen. (DER STANDARD, Printausgabe, 13/14.7.2002)