Der ehemalige jugoslawische Präsident, Zoran Lilic, soll in den kommenden Tagen vor dem UNO-Tribunal in Den Haag gegen Slobodan Milosevic aussagen. Lilic ist der bisher erste ranghohe Insider des Regimes Milosevic, den die Anklage auf die Zeugenbank bringen konnte. Vertreter des Tribunals in Belgrad und der serbischen Justiz holten in der Nacht auf Freitag den einst engen Mitarbeiter von Milosevic aus seinem Büro ab und brachten ihn geradewegs nach Den Haag. Lilic protestierte zwar, meinte, er ginge gegen seinen Willen, leistete jedoch keinen Widerstand. Die Bedenken Lilic' gegen Milosevic als Zeuge aufzutreten, sind verständlich. Wie DER STANDARD erfuhr, wurde ihm aus Serbien mit der Ermordung seines Sohnes und seiner Frau gedroht, falls er den serbischen Exdiktator belasten sollte. Wenn Lilic jedoch die Zusammenarbeit mit dem Tribunal ablehnt, drohen ihm automatisch sieben Jahre Haft. Schweigepflicht Außerdem hat die serbisch-montenegrinische Bundesregierung den ehemaligen Staatschef immer noch nicht von der Schweigepflicht befreit, und so droht ihm wegen eventuellen "Verrats von Staatsgeheimnissen" in Serbien eine Gefängnisstrafe von rund zwanzig Jahren - falls er vor dem Tribunal als Zeuge aussagt. Lilic war von 1993 bis 1997 Bundespräsident Jugoslawiens, danach als Vizepremier für den Außenhandel zuständig. Auf den Krieg im Kosovo hatte Lilic, der damals schon wegen Kritisierens bei Milosevic in Ungnade gefallen war, keinen Einfluss, über die Kriege in Kroatien und vor allem in Bosnien könnte sich der ehemalige Spitzenreiter der Milosevic-Sozialisten als Kronzeuge erweisen. (DER STANDARD, Printausgabe, 13/14.7.2002)