Musik
Bisher unbekannte Telemann-Oper entdeckt
"Pastorelle" entstand zwischen 1705 und 1710
Berlin - In Berlin ist eine bisher unbekannte Oper von
Georg Philipp Telemann (1681-1767) entdeckt worden. Es handelt sich
um eine einaktige Schäferoper mit dem Titel "Pastorelle", die die
beiden Berliner Telemann-Forscher Peter Huth von der Komischen Oper
Berlin und Rashid-Sascha Pegah in den aus Kiew zurückgekehrten
Beständen der Berliner Singakademie jetzt entdeckten, wie Huth am
Freitag mitteilte. Es sei das älteste erhaltene Musikdrama des Komponisten, das etwa
zwischen 1705 und 1710 entstanden sei, so Huth. Von den Opern, die
Telemann bereits ab 1702 in Leipzig geschrieben hat, sei keine mehr
erhalten.
"Produktivster"
Telemann gilt als der produktivste aller Tonschöpfer der
abendländischen Musik. Sein gewaltiges Werk umfasst 40 Opern, 46
Passionen, 35 Oratorien, 1.750 nachweisbare Kantaten, 33 Hamburger
Kapitänsmusiken, 600 Orchesterstücke, Suiten, Ouvertüren, Sinfonien,
Konzerte und Solosonaten. Seine Wiederentdeckung setzte allerdings
erst nach dem Zweiten Weltkrieg in verstärktem Umfang ein. Von seinen
Opern wird die einstündige "Pimpinone oder Die ungleiche Heirath"
noch öfters gespielt. Viele Handschriften Telemanns sind im Besitz
der Berliner Staatsbibliothek.
Die Berliner Telemann-Spezialisten waren jetzt bei ihren
Nachforschungen im Musiklesesaal der Staatsbibliothek Preußischer
Kulturbesitz auf den überraschenden Fund gestoßen. Sie trauten ihren
Augen kaum, als sie in einem hervorragend erhaltenen, fast
300-jährigen Prachtband ein Musikdrama des berühmten
Barockkomponisten in glänzender Instrumentation entdeckten. Es
handelt sich um ein abendfüllendes, knapp zweistündiges Werk mit
großer Ouvertüre und etwa zehn Szenen.
Nicht im Aufführungsverzeichnis
"Pastorelle" tauchte bisher in keinem historischen
Aufführungsverzeichnis auf. Das teils deutsche, teils französische
Libretto verfasste der Komponist nach Ansicht Huths
höchstwahrscheinlich selbst. Das Werk entstamme einer Zeit - dem
ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts - aus der fast keine
musikalischen Belege zur mitteldeutschen Opernpflege existierten. Vor
seiner Zeit in Hamburg (ab 1721) wirkte Telemann an Residenzen wie
Sorau (1705) und Eisenach (1708), wo er mit Johann Sebastian Bach
Freundschaft schloss.
Es sei einer der Schätze, die die über 200 Jahre alte Singakademie
als Schenkung erhalten und meist gut unter Verschluss gehalten habe,
ohne dass eine größere Öffentlichkeit davon erfahren habe, meinte
Huth. Nachdem die Archive der Singakademie in Kiew nach dem Zerfall
des Ostblocks für die Deutschen wieder zugänglich geworden seien,
habe man sich zunächst auf spektakulärere Schätze wie die Bach-Werke
gestürzt und erst dann einen Katalog angefertigt, der jetzt im
Lesesaal der Berliner Staatsbibliothek ausliegt. "Irgendwo steht da
links "Telemann" und rechts "Pastorelle"", berichtet Huth von der
Entdeckung. "Was hat man sich darunter vorzustellen, dachten wir. Da
ahnt doch kein Mensch, dass sich eine veritable Oper dahinter
verbirgt." (APA)