Wirtschaft
Goldman Sachs warnt vor Management-Wechsel bei der Telekom
US-Investmentbank rechnet mit entscheidenden negativen Konsequenzen
Frankfurt (APA/Reuters) - Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat
vor einem Managementwechsel bei der Deutschen Telekom gewarnt, da sie
andernfalls "mit entschiedenen negativen Konsequenzen für das
Unternehmen" rechnet. Dies geht aus einem Brief mit Datum 12. Juli
hervor, den der Vorstandsvorsitzende von Goldman Sachs Henry Paulson
an den Aufsichtsratsvorsitzenden der Telekom, Hans-Dietrich Winkhaus,
geschickt hat.Besorgnis
In dem Schreiben warnt Paulson als Chef der bei der Telekom als
langjähriges Beratungshaus tätigen Bank, er sei über einen möglichen
Wechsel in der Führungsspitze des Unternehmens besorgt. "Wir sind
sehr besorgt, dass jede zur Zeit stattfindende Veränderung im
Management entschieden negative Konsequenzen für das Unternehmen und
alle seine zahlreichen Anteilseigner haben wird", heißt es in dem
Brief.
Strategisch und finanzieller Plan
Der Goldman-Chef verweist darauf, dass "die Telekom einen
strategischen und finanziellen Plan entwickelt hat, um die dringenden
Probleme in Bezug auf die Bilanz des Unternehmens und (die
US-Mobilfunktochter) VoiceStream anzugehen". Dieser Plan sei von
Goldman "im Detail" mit der derzeitigen Telekom-Führung besprochen
worden. Ohne nähere Einzelheiten zu nennen, schreibt Paulson weiter,
der Plan werde von Goldman Sachs "aktiv unterstützt". Auch sei sein
Institut "direkt in die Ausführung eingebunden". Wörtlich heißt es:
"Wir glauben, dass ein essenzielles Element der erfolgreichen
Ausführung des Plans darin besteht, dass das Management der Deutschen
Telekom unverändert bleibt."
Interesse der Telekom
Paulson schreibt, sein Haus fühle sich verpflichtet, den
Aufsichtsrat darüber zu unterrichten, "was unserer Meinung nach im
besten Interesse der Telekom ist". Der Goldman-Chef bietet sich in
dem Schreiben zudem an, bei der für Dienstag angesetzten
außerordentlichen Aufsichtsratssitzung persönlich vorzusprechen.
"Wenn Sie glauben, dass es sinnvoll wäre, würde ich die Gelegenheit
begrüßen, mich mit Ihnen Herrn Dr. Winkhaus und dem Aufsichtsrat in
der kommenden Woche persönlich zu treffen, um unsere Einschätzung in
größerer Genauigkeit darzulegen", schreibt Paulson.
Bundesregierung als größter Aktionär mit rund 43 Prozent
Mit dem Schreiben und dem Angebot, vor dem Aufsichtsrat zu
sprechen, stützt Goldman Sachs den von der Abwahl durch den
Aufsichtsrat bedrohten Telekom-Chef Ron Sommer. Als aussichtsreicher
Nachfolger von Sommer gilt der Technik-Vorstand Gerd Tenzer. Sommer
wird wegen des abgestürzten Aktienkurses und des Schuldenberges seit
Wochen öffentlich von Aktionären und Investoren kritisiert. Zuletzt
verlor er auch die Unterstützung der Bundesregierung als größtem
Aktionär mit rund 43 Prozent. Insbesondere für die mehr als 35
Milliarden Dollar teure Übernahme von VoiceStream Mitte 2001 muss
Sommer bis heute heftige Kritik einstecken. Zahlreiche Analysten
halten den Kauf für zu teuer und sehen keine eigenständige Zukunft
für VoiceStream als kleinsten landesweiten Anbieter.
VoiceStream
Im Laufe der Woche hatte die Telekom jedoch signalisiert, dass
sie nicht länger darauf besteht, VoiceStream ohne Partner
weiterzuführen. Das "Wall Street Journal" hatte berichtet, das der
drittgrößte US-Mobilfunkanbieter AT&T Wireless an einer Übernahme von
VoiceStream interessiert sei. Bei einem Zusammengehen würde der
zweitgrößte Anbieter des Landes entstehen. In Telekom-Kreisen hatte
es dazu geheißen, man sperre sich nicht gegen ein vernünftige
Konsolidierung der US-Branche.
Nach eigenen Angaben hat Goldman Sachs der Telekom bereits lange
vor dem ersten Börsengang im November 1996 beratend zur Seite
gestanden. Im Zuge der Voicestream-Übernahme war Goldman Sachs auch
Aktionär der Telekom geworden, da die Investmentbank ihre Anteile an
VoiceStream gegen Telekom-Aktien eintauschte. Telekom-Angaben zufolge
hat Goldman seine Telekom-Anteile jedoch inzwischen weitestgehend
veräußert. (APA)