10. Juli 2002. Schauplatz: ein Lokal in der Wiener Innenstadt. Zwei jugendliche Testpersonen, 14 und 15 Jahre alt, bestellen alkoholische Getränke. Freundlich lächelnd nimmt der junge Kellner die Bestellung auf. Mit großer Selbstverständlichkeit wird neben einer Flasche Sekt sogar der bestellte Wodka serviert.

Nächste Station: ein Billa um die Ecke. Eine Flasche Eristoff Wodka wird zur Kasse getragen. Auf die ausdrückliche Frage des Kassierers hin, für wen denn der Alkohol bestimmt sei, antworten die jungen Käufer mit schelmischem Grinsen "Na für uns natürlich", woraufhin der Verkäufer mit einem wissenden Lächeln "viel Spaß!" wünscht und die Rechnung ausstellt.

In keinem der besuchten Lokale wurde nach dem Alter gefragt, geschweige denn ein Ausweis verlangt. Das zeigt, wie leicht es Jugendlichen unter dem gesetzlichen Mindestalter gemacht wird, Alkohol zu konsumieren.

Von Eltern angeboten

Ähnliches wurde auch vom Österreichischen Institut für Kinderrechte, die im Auftrag der Österreichischen Kinderfreunde und der "Procter & Gamble Familien Initiative" eine Studie erstellten, bestätigt. 486 Jugendliche unter 16 Jahren wurden zum Thema Alkohol befragt. Die Untersuchung bestätigt unsere Recherchen, da 89,8 Prozent der Befragten Alkohol bereits getrunken hatten. Ein Großteil dieser Kinder und Jugendlichen kam im Alter zwischen sieben und dreizehn Jahren zum ersten Mal mit Alkohol in Kontakt. Erschreckend dabei ist die Tatsache, dass unerwartet viele Kinder den Alkohol von Eltern und Verwandten angeboten bekommen hatten.

Dieser frühzeitige Alkoholkonsum führt zu einer hohen Zahl an Alkoholabhängigen in Österreich. Jährlich sterben rund 8000 ÖsterreicherInnen an den Folgen ihres übermäßigen Alkoholkonsums. Im Vergleich zu den letzten Jahren steigt auch die Zahl der weiblichen Alkoholiker an.

Nicht nur für Jugendliche stellt auch der mehr als missverständlich formulierte Gesetzestext ein Problem dar. "Ab sechzehn Jahren darf man alle alkoholischen Getränke, auch die hochprozentigen zu sich nehmen. Zu Hause darf man das schon ab vierzehn", berichtet ein Jugendberater der Wiener Polizei.

Gesetz oft unbekannt

Die zu Rate gezogenen Jugendanwälte und andere Beratungsstellen hingegen konnten uns keine ausreichenden oder nur widersprüchliche Auskünfte bezüglich des neuen Wiener Jugendschutzgesetzes erteilen. Die Neuerungen scheinen also noch nicht zu allen zuständigen Stellen durchgedrungen zu sein.

Es erweist sich außerdem als äußerst umständlich, den genauen Wortlaut des Gesetzes herauszufinden und dann auch noch korrekt zu interpretieren. Ein befragter Lokalbesitzer beispielsweise wusste nicht einmal von diesem neuen Gesetzesbeschluss.

Es bleibt also abzuwarten, ob sich in Zukunft mehr betroffene Gastwirte und auch Jugendliche für die Neuerungen im Gesetzestext zu interessieren beginnen. (Iris Einwaller, Katharina Luger, Jakob Pötsch, Jana Reiter, Barbara Wallner/DER STANDARD, Printausgabe, 15.7.2002)