Der US-Advokat Ed Fagan ist seit vergangener Woche seinem Ziel einen großen Schritt näher: Er will die Causa Kaprun vor ein US-Gericht bringen, um dort für seine Mandanten möglichst hohen Schadensersatz zu erstreiten. Es geht um Millionenbeträge - für die beklagten Firmen, Hinterbliebene und für Fagan, der wohl auch auf Provisionen hofft.

Insgesamt lassen sich in den Staaten mehr als einhundert Angehörige von Kaprun-Opfern zivilrechtlich von Fagan vertreten. Sein Hauptargument war und ist, die österreichischen Behörden würden schlampig ermitteln, der Gerichtsakt sei unvollständig, Beweise würden zurückgehalten. Daher müsse sich ein US-Richter um die Sache kümmern. Jetzt hat es den Anschein, als ob Fagan Recht behält: Dabei sind es nicht Geheimakten der US-Armee, wie auch schon behauptet wurde, die überraschend aufgetaucht sind. Nein. Sondern es sind Fotos und Dokumente, die bisher irgendwo im österreichischen Innenministerium herumlagen. Es handelt sich nicht um irgendwelche Zettel eines Dorfgendarmen, sondern um einen Kofferraum voll Unterlagen Österreichs führender Kriminaltechniker.

Egal, welchen Stellenwert Richter, Staatsanwalt und Gutachter den neuen Dokumenten letztlich einräumen, die Optik ist jedenfalls verheerend: Ist wirklich niemand auf die Idee gekommen, dass bei einem Unglück mit 155 Toten ein fünfseitiger Endbericht der Kriminalisten nicht alles sein kann? Und wenn beim Verfahren um die größte Brandkatastrophe der Zweiten Republik so geschludert wird, was passiert alles bei Ereignissen, die nicht so im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen?

Ed Fagan hat einen Sieg nach Punkten eingefahren. Soll sein. Schwerer freilich wiegt, dass das Vertrauen in die Ermittlungsarbeit der heimischen Behörden weiter sinkt.

(DER STANDARD, Printausgabe, 15.7.2002)