Inland
Burschenschafter- "Vaterland"
Über den bis heute andauernden Deutschnationalismus der schlagenden Studentenverbindungen
Von der Polizei im Namen der Versammlungsfreiheit durch
Absperrungen in der Innenstadt beschützt, zogen
heuer am 8. Mai Burschenschafter "in voller Wichs",
farbentragende Studenten
und "alte Herren" der so genannten schlagenden Verbindungen sowie andere
akademische Sympathisanten mit Fackeln vom Josefsplatz zum Schweizerhof, um
dort am Jahrestag der Kapitulation der deutschen
Wehrmacht 1945 in einer
Trauerfeier der Toten des
Zweiten Weltkriegs zu gedenken. Einer der Redner zu diesem Anlass war der Volksanwalt Ewald Stadler, der
dort aufforderte, "gegen die
Tabus der durch nichts und
niemanden legitimierten
Moral der Political Correctness" anzutreten und "Mut
zu einem enttabuisierten
Umgang mit unserer Geschichte, wie dies Horst
Mahler in Deutschland getan
hat", aufrief. (Mahler, verurteilter RAF-Terrorist, von
links- zu rechtsextrem gewandelt, verbreitet in
Deutschland neonazistische
Hetzschriften.)
Bei einer Sonnwendfeier
wenige Wochen später rüttelte derselbe Stadler bekanntlich mit seiner provokativen Gleichstellung der
Unfreiheit unter Adolf Hitler
und der alliierten Besatzung
1945 am Grundkonsens der
Zweiten Republik.
Die schlagenden Verbindungen sind eine Kaderschmiede der FPÖ; viele
freiheitliche Politiker kommen aus ihren Reihen.
Ideologisch haben sie sich
ihren seit den Freiheitskriegen gegen Napoleon gepflegten Deutschnationalismus
voll erhalten, welchem
Wechsel sie sonst auch immer unterworfen waren. Die
erste Korporation wurde
1814 in Jena gegründet.
In Österreich von Metternich verboten, waren die
Burschenschafter 1848 auch
in Wien eine Speerspitze der
bürgerlich-nationalen Revolution. Gegen das Ende
des Jahrhunderts hatte auch
sie der Antisemitismus voll
erfasst. Als Auffangbecken
der verbotenen Nazipartei
wurden auch Burschenschaften 1933/34 vom Dollfuß-Regime verboten. 1938
gingen sie mit fliegenden
Fahnen im totalitären Deutschen Studentenbund auf.
1945 blieben sie vorerst verboten, im Zeichen der Vereinsfreiheit aber wurden sie
wiedergegründet.
Im Unterschied zu den katholischen CV-Studentenverbindungen bezeichnen
sie sich als "schlagende",
weil dem Vollmitglied die
Mensur, ein Säbelzweikampf, abverlangt wird, bei
dem Blut fließen muss, wofür dann die "Schmisse" im
Gesicht lebenslang Zeugnis
ablegen. Die Mensur soll die
Bereitschaft ausdrücken, im
Ernstfall das Blut für das Vaterland zu opfern.
Was dieses "Vaterland"
ist, hat Haiders zeitweiliger
ideologischer Berater Andreas Mölzer, Mitglied der
"Vandalia Graz", 1990 so
präzisiert: "Der Korporationsstudent in Österreich ist
sui generis - als Angehöriger
einer deutschen Korporation
- bereits eine lebende Anklage gegen die große Lebenslüge der Zweiten Österreichischen Republik. Den
allzu opportunistischen
Ausstieg aus der deutschen
Geschichte und der deutschen Verantwortung, den
die ,österreichische Nation‘
nach 1945 vollziehen wollte,
und die damit verbundene
Lebenslüge stellt eben jener
infrage, der sich weiter als
Deutscher bekennt."
Dass diese großdeutschen
Bekenntnisse immer wieder
mit Nazinostalgie zusammenfließen, lässt sich vielfach bekunden. Etwa wenn
eine Wiener Burschenschaft
noch 1971 den "Anschluss"
als Verwirklichung des
"Traumes der Deutschen
vom großen Reiche aller
Deutschen" bezeichnet,
wenn die Grazer "Arminia"
noch immer das Andenken
ihres Bundesbruders, des als
Haupttäter im Nürnberger
Kriegsverbrecherprozess
verurteilten und hingerichteten Ernst Kaltenbrunner,
hochhält oder wenn Burschenschafter im Kreis um
den späteren NDP-Gründer
Norbert Burger in die zweite,
nicht mehr autochthone und
nur gegen Sachen gerichtete,
sondern blutige Terrorwelle
in Südtirol verwickelt waren. Auch der erste politische Tote der Zweiten Republik bei den Demonstrationen gegen den antisemitischen Professor Taras Borodajkewycz war Opfer eines
gewalttätigen Korporationsstudenten.
Wie die Burschenschafter
in ihrer Mehrzahl das sie
verbindende Motto "Ehre,
Freiheit, Vaterland" weiterhin verstehen, lässt sich an
dem bei ihren Festveranstaltungen gesungenen "Bundeslied" ermessen, das mit
den Worten anhebt: "Vaterland, du Land der Ehre, stolze Braut mit freier Stirn, deinen Fuß benetzen Meere,
deinen Scheitel krönt der
Firn ...
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unzeitgemäße "Urangst". (Manfred
Scheuch/DER STANDARD, Printausgabe, 16.7.2002)