Ökologie
Kaprun-Ermittler vom Dienst suspendiert
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Leiter der Kriminaltechnischen Zentralstelle des Innenministeriums
Salzburg - Die Affäre um das
beim Strafprozess um die
Brandkatastrophe von Kaprun
vergangene Woche präsentiertes zusätzliches Aktenmaterial spitzt sich zu: Am Montag
wurde der Leiter der Kriminaltechnischen Zentralstelle
(KTZ) vom Dienst suspendiert. Neben einer Anzeige
von einem der Anwälte, der
einen der 16 Angeklagten vertritt, hat auch das Innenressort
eine Sachverhaltsdarstellung
an die Staatsanwaltschaft
übermittelt.
Gegen den Beamten wurde
zudem ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Vorwurf
lautet auf Verdacht der Beweismittelunterdrückung und
des Amtsmissbrauchs.
Welcher inhaltliche Stellenwert den vergangenen
Donnerstag anlässlich des Lokalaugenscheines in Linz, wo
die ausgebrannte "Kitzsteingams" und der intakte "Gletscherdrachen" verwahrt werden, tatsächlich zukommt,
war am Montag noch nicht absehbar. Im Innenministerium
war ursprünglich erklärt worden, es handle sich nur um
Duplikate und frei zugängliche Pläne. Die Salzburger Justiz gibt an, wiederholt die gesammelten Akten angefordert
zu haben.
Vermutlich wird die gesamte Sommerpause benötigt
werden, damit sich Richter
Manfred Seiss, Staatsanwältin
Eva Danninger-Soriat, Gutachter und Verteidiger ein
Bild machen können. Das Material muss aber auf jeden Fall
in die Gutachten der Sachverständigen einfließen.
Zuerst müssen die neuen
Unterlagen vervielfältigt werden. Neben Videobändern,
welche die KTZ-Beamten im
Unglücksstollen auf das
Kitzsteinhorn aufgenommen
hatten, gilt es elf Aktenordner
zu kopieren. Bei den am Montag wieder im Salzburger Kolpinghaus fortgesetzten Zeugeneinvernahmen zum Unglück vom 11. November
2000, bei dem 155 Menschen
ums Leben kamen, spielten
die KTZ-Dokumente daher
noch keine Rolle.
Die letzte Verhandlungswoche vor der Sommerpause
(von 22. Juli bis 2.September)
begann aber ebenfalls dramatisch. Etwas mehr als eine halbe Stunde nach Verhandlungsbeginn sackte einer der
Hauptangeklagten, der Betriebsleiter der Gletscherbahnen Kaprun, zusammen. Der
41-jährige dürfte der Anspannung nicht mehr gewachsen
gewesen sein und erlitt einen
Kreislaufkollaps. Nach dem
Anwesende Hilfe geleistet
und Richter Seiss einen Notarzt verständigt hatte, erholte
sich der Angeklagte wieder
einigermaßen. Am Prozess
konnte er jedoch erst wieder
am Nachmittag teilnehmen.
Im Zeugenstand wurde der
Stationswart der Talstation zu
seinen Eindrücken am Unglückstag befragt. Unter anderem bezweifelte er die Aussage jenes Zeugen, der unmittelbar nach dem Abfahren des
Zuges Rauch gesehen haben
will: "Das ist mir ein Rätsel."
Stationswart und auch Vizebetriebsleiter gaben an, dass
die Gletscherbahnen niemals
Katastrophenübungen durchgeführt hätten. Bestätigt wurde darüber hinaus eine "Pufferstörung", die zwei Tage vor
der Katastrophe zum Stillstand der Bahn geführt hatte.
(Thomas Neuhold/DER STANDARD, Printausgabe, 15. 7. 2002)