Gesundheitspolitik
Chefarztpflicht für teure Medikamente fällt nächstes Jahr
Ärzte haben vom Spardruck die Nase voll - Scharfe Kritik an Sozialminister Haupt
Wien - Nächstes Jahr soll die bestehende Chefarztpflicht für teure Medikamente fallen. Josef
Kandlhofer, Sprecher der Geschäftsführung im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, bestätigt
im Standard-Gespräch "intensive Verhandlungen" über die Abschaffung und meint: "Ich glaube, dass
das etwas ganz Tolles für die Patienten wäre." Rund vier Millionen Medikamentenpackungen im Jahr
müssen extra genehmigt werden. Österreichweit sind dafür 250 Chefärzte zuständig, die auch für
andere Begutachtungen, etwa aufwändige Behandlungen und Heilbehelfe, herangezogen werden. Die Ärzte befürworten das Fallen der Chefarztpflicht, befürchten aber erhöhten Spardruck ab Herbst.
Denn der Hauptverband wird den Krankenkassen neue Kriterien vorschreiben, die etwa eine
Obergrenze für Heilmittelausgaben beinhalten könnten. Die Wiener Ärztekammer plant daher eine
groß angelegte Kampagne nach der Sommerpause.
Außer "blöd polemisieren" nichts gelungen
Ihr Chef, Walter Dorner, attackiert im Standard Sozialminister Haupt (FP): Außer "blöd gegen Herrn
Sallmutter", den früheren Hauptverbandspräsidenten, zu polemisieren, sei ihm nichts gelungen. Nach
der Ambulanzgebühr sei nun mit der Chipkarte ein weiterer Flop zu erwarten. Die Einführung der
Karte muss wegen Schwierigkeiten der Erzeugerfirma verschoben werden und kommt frühestens
Ende 2004.
"Wir erwarten, dass der Druck auf Ärzte und Patienten steigen wird", sagt Dorner. Gegen den
befürchteten Abbau von Gesundheitsleistungen werden die Mediziner im Herbst eine große
"Offensive" starten, wie Dorner im Standard-Gespräch ankündigt. Umgekehrt hat der Hauptverband
der Sozialversicherungsträger den Ärzten aber auch ein Zuckerl versprochen: So soll die - bei
Medizinern wie Patienten gleichermaßen unbeliebte - Chefarztpflicht künftig fallen.
Aktueller Anlass zur Sorge gibt die 60. ASVG-Novelle, die letzte Woche im Parlament beschlossen
wurde. Mit ihr wurde die Geldvergabe aus dem Ausgleichsfonds für die Krankenkassen neu geregelt.
Demnach wird das Geld teilweise an konkrete Kriterien gekoppelt, die nicht ausgehandelt, sondern
vom Hauptverband diktiert werden dürfen. Darin könnte etwa festgelegt werden, dass die
Medikamentenausgaben nicht einen bestimmten Rahmen sprengen dürfen, was wiederum den Druck
auf die Mediziner erhöhen würde, weniger teure Medikamente zu verschreiben. Die niedergelassenen
Ärzte sind schon jetzt angehalten, im Zweifel das billigere Heilmittel zu vergeben.
Befürchtungen "nicht ganz unberechtigt"
"Die konkreten Ziele liegen noch nicht auf dem Tisch. Wir hoffen, wir werden nicht gezwungen, auf
unsere Vertragspartner (sprich: die Ärzte, Anm.) mit der Keule loszugehen", sagt Jan Pazourek,
Sprecher der Wiener Gebietskrankenkasse. Die Befürchtungen der Ärzte seien aber "nicht ganz
unberechtigt". Zur Abschaffung der Chefarztpflicht sei man gesprächsbereit.
Dorner zählt auf, wo er Einsparungen befürchtet: bei Heilbehelfen, neuen Therapieformen und bei der
Vorsorge. Darüber werde man die Wiener Bevölkerung "eindringlich informieren". Bundesweit ist noch
keine Kampagne geplant, wie die Österreichische Ärztekammer auf Standard-Anfrage erklärt.
Dorner macht indessen aus seinem Frust über Sozialminister Herbert Haupt kein Hehl: Der
Verteidigungsminister habe Abfangjäger durchgesetzt, der Infrastrukturminister Geld für Straßen.
Herrn Haupt hingegen sei, "außer blöd gegen Herrn Sallmutter zu polemisieren", nichts gelungen.
Nach dem Flop der Ambulanzgebühr komme nun der nächste mit der Chipcard. Für Ende 2003 war
deren Einführung geplant. Doch die Erzeugerfirma mit Schweizer Sitz hinkt mit den Vorarbeiten nach,
frühestens Ende 2004 wird die Karte kommen. Wie berichtet, wehrt sich die Ärztekammer dagegen,
die Jahresgebühr (zehn Euro) einzuheben. Nachdem die Wirtschaftskammer bezüglich des Inkassos
kühl abgewunken hatte, wurde dies den Ärzten überantwortet. (DER STANDARD, Printausgabe,
16.7.2002)