Zuerst die gute Nachricht: Wer teure Medikamente einnehmen muss und folglich ernsthaft erkrankt ist, wird sich den lästigen Gang zur Gebietskrankenkasse zum Zwecke der chefärztlichen Genehmigung künftig ersparen. Und jetzt die schlechte: Vielleicht bekommen ASVG-Versicherte das eine oder andere teure Medikament vom Hausarzt gleich gar nicht mehr verschrieben. Schließlich sind fast alle Krankenkassen defizitär. Weil aber über höhere Kassenbeiträge derzeit auf Anordnung der Regierung nicht nachgedacht werden darf (Stichwort Lohnnebenkosten), wird man die unweigerlich steigenden Kosten wohl anderswo hereinbekommen müssen.

Die Frage, ob und was rationiert werden kann, ist weder ein typisch österreichisches, noch ein typisch schwarz-blaues Phänomen. Sie stellt sich seit Jahren in allen Gesundheitssystemen der westlichen Welt - speziell beim schnell wachsenden Heilmittelsektor. Wobei das Dilemma so gut wie unlösbar ist: Internationale Studien (vorzugsweise die von der Pharmaindustrie gesponserten) zeigen beispielsweise, dass viel mehr Menschen Cholesterinsenker bekommen müssten. Städter schlucken davon schon jetzt mehr als die Einwohner ländlicher Regionen. Aber sind Erstere deswegen in Summe gesünder? Und wäre Abnehmen sowie Sport nicht die bessere Variante? Vernünftige Ärzte werden ihre Patienten diesbezüglich natürlich beraten. Doch wer sagt, dass auch die Patienten vernünftig sind?

Die Abschaffung der Chefarztpflicht ist sinnvoll. Schließlich haben die Kassen ja ohnehin Gelegenheit, den Medizinern elektronisch über die Schulter zu schauen und Erklärungen für überdurchschnittliche Verschreibungslust zu verlangen. Wobei die Sozialversicherung eine heikle Gratwanderung beschreiten muss: Denn wenn der Druck auf die Ärzte zu hoch ist, werden diese immer weniger Lust verspüren, mühsame oder "teure" Fälle - etwa Krebspatienten - zu betreuen. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.7.2002)