Als Nepals neuer König Gyanendra jüngst zum Staatsbesuch nach Peking kam, fuhr Jiang Zemins Protokoll seine neueste Errungenschaft auf: eine tonnenschwere mobile Prachtbühne auf dem Platz des Himmlischen Friedens mit einem Baldachin in den kaiserlichen Farben Rot und Gold und schwebenden Wolken als Glückssymbol.Die Zeremonie vergangene Woche erhöhte nicht nur den Gast, sondern auch gleich den Gastgeber Jiang mit. "Der Staatspräsident stellt sich auf eine neue Paradebühne", titelte so frech wie anspielungsreich am Wochenende die Pekinger Abendzeitung. Denn der 75-jährige Parteichef bereitet gerade seinen Auftritt auf einer ganz anderen neuen Bühne zum Parteitag im Herbst vor. Am Montag hat er sich dafür zusammen mit Spitzenpolitikern und ihren Familien zu Urlaub und Klausur in den Prominentenbadeort Beidaihe zurückgezogen, wo Chinas Topführer am Strand ihre Personalienvorschläge für den 16. Wahlparteitag in den Sand malen. Keine Amtsmüdigkeit Informierte Beobachter bestätigten, dass sich der heute nach Fidel Castro weltweit dienstälteste Herrscher noch einmal das Mandat erteilen lassen will, um für noch mindestens drei Jahren die Geschicke des Landes sowohl als Befehlshaber über das Militär als auch über die Partei weiter bestimmen zu können. Jiang Zemin, der am 17. August 76 Jahre alt wird, seit 13 Jahren Chinas Partei führt und seit zehn Jahren als Staatspräsident amtiert, zeigt sich alles andere als amtsmüde. Mit mehr als einem Dutzend Auslandsreisen, mit Gipfeltreffen und weit mehr als hundert Reden und Auftritten sorgte er im ersten Halbjahr für seine tägliche Präsenz auf den Titelseiten der chinesischen Zeitungen und entfachte um sich den Personenkult eines Alleinherrschers. Die nächsten vier Wochen will Jiang mit drei Dutzend anderen Topführern in der 281 Kilometer von Peking entfernten Sommerfrische an der Bohai-Bucht die beiden entscheidenden Fragen klären lassen, wie viel Macht er behalten soll und wer die Plätze im Ständigen Ausschuss und im Politbüro bei dem größten Revirement der Parteiführung seit Maos Tod besetzen darf. "Die Führungselite wohnt in ihren Villen nebeneinander. Sie handeln alles in Einzelgesprächen aus", berichtet ein Vertrauter. Fünf von sieben Mitgliedern im Ständigen Ausschuss, die Hälfte der 22 Politbüromitglieder, mehr als ein Drittel der rund 350 ZK-Mitglieder sollen auf dem Parteitag ausgewechselt werden. Die Topführer, angefangen vom 74-jährigen Parlamentspräsidenten Li Peng bis zum gleichaltrigen Premier Zhu Rongji, die erst ihre Parteiämter und ein halbes Jahr später beim Volkskongress auch ihre Regierungsämter abtreten müssen, "ringen darum, dass ihre Vertrauten in die Führungspositionen nachrücken können". Erst wenn sich alle einig sind, kann Mitte August eine Arbeitskonferenz mit Vertretern des Zentralkomitees und der Provinzführer einberufen werden, die den Termin des Parteitages und die Tagesordnung festlegt. Generäle verpflichtet Für einen Parteitag im September spricht, dass sich Jiang in fast allen inhaltlichen und personellen Fragen durchgesetzt habe, heißt es in Peking. Von einer ergebenen Armeeführung, bei der er 64 von 81 in den letzten 15 Jahren zu Generälen beförderten Militärs persönlich ernannt hat, werde er "gedrängt", auch weiterhin Armeechef zu bleiben. Jiang folge dem Vorbild Deng Xiaopings, der ihn 1989 zum Parteichef machte, aber zugleich für sich das Amt des Militärchefs behielt. Mit innerparteilichem Widerstand müsste Jiang Zemin aber rechnen, sollte er noch bis 2005 (bis er 80 Jahre alt ist) auch Generalsekretär der Partei bleiben wollen. Sein designierter Nachfolger, der 59-jährige Hu Jintao, würde dann nur das Amt des Staatspräsidenten übernehmen dürfen. Dass es nicht so kommt und Hu auch Parteichef wird, könnte die Zeremonie bei der Zeugnisvergabe in der Parteihochschule vergangenen Freitag gezeigt haben: Dort trat Hu mit Jiangs engsten politischen Vertrauten, dem ZK-Sekretär Zeng Qinghong, auf. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.7.2002)