International
Marokkanische Kampagne gegen "spanischen Kolonialismus"
Konflikt um "Petersilien"-Insel vor dem Hintergrund des Westsahara-Streits
Rabat/Madrid - Wegen des Konflikts um die Insel Perejil
hat die marokkanische Presse eine vehemente Kampagne gegen den
"spanischen Kolonialismus" in Gang gesetzt. Die arabisch- und
französischsprachigen Zeitungen attackieren am Dienstag die
"spanischen Machthaber" als "Nostalgiker eines verlorenen
Kolonialreiches". Madrid habe es in seinem "arroganten Elan" Marokko
"nie verziehen, dass es die marokkanische Sahara wieder in seinen
Besitz gebracht" hätte, hieß es in einem Leitartikel der Tageszeitung
"Aujourd'hui" in Rabat. Das Organ der Sozialistischen Partei von
Ministerpräsident Abderrahmane Youssoufi, "Al Ittihad al Ichtiraki",
prangerte den Kolonialismus an, unter dem Marokko noch 46 Jahre nach
der Erlangung der Unabhängigkeit zu leiden hätte. Als ehemalige Kolonialmacht hält Spanien weiterhin am Prinzip
eines Selbstbestimmungs-Referendums in der von Marokko besetzten
Westsahara fest und hat die jüngsten US-amerikanischen
Autonomie-Vorschläge abgelehnt. Die Regierung in Madrid hat erklärt,
sie bleibe den internationalen Vereinbarungen von 1991 verpflichtet.
Die USA hatten den anderen Mitgliedern der Westsahara-Gruppe der UNO
(Russland, Frankreich, Großbritannien, Spanien) eine Initiative
unterbreitet, die auf einen Verzicht auf die Volksabstimmung und auf
eine Autonomie der früheren spanischen Territoriums innerhalb des
marokkanischen Staates hinauslaufen würde.
Beide Seiten unnachgiebig
Nach elf Jahren ergebnisloser Bemühungen um eine Lösung des
Westsahara-Konflikts hatte UNO-Generalsekretär Kofi Annan eine
baldige Entscheidung gefordert. In einem Bericht an den
Weltsicherheitsrat äußerte er sich im April enttäuscht darüber, dass
weder Marokko noch die von der Unabhängigkeitsbewegung Polisario
ausgerufene Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS), die von
über 80 Ländern anerkannt wird, zu einer Verhandlungslösung bereit
seien. Marokko wolle nicht einmal "eine Handbreit" des Gebiets
abtreten, hatte König Mohammed VI. erklärt.
Die Vereinten Nationen bemühten sich viele Jahre um die
Registrierung der Stimmberechtigten in der ehemaligen spanischen
Kolonie. Mehr als 130.000 Menschen, die meisten von ihnen Siedler aus
Marokko, hatten gegen den Ausschluss von der Abstimmungsberechtigung
Einspruch eingelegt. Die Polisario hat Marokko vorgeworfen, illegal
angesiedelte Marokkaner zu ermuntern, sich in die Wählerlisten
eintragen zu lassen.
In langwierigen Verhandlungen unter Vermittlung des ehemaligen
US-Außenministers James Baker hatten sich Marokko und die Polisario
auf Richtlinien für ein Referendum geeinigt. Der verstorbene
marokkanische König Hassan II. hatte jedoch erklärt, er wolle die
Westsahara als Teil seines Staatsgebiets behalten, gleichgültig ob
das von der UNO geforderte Referendum, das schon 1992 hätte
durchgeführt werden sollen, stattfinde oder nicht. Die im Februar
1976 von der Polisario ausgerufene Demokratische Arabische Republik
Sahara (DARS) wurde von über 80 Ländern anerkannt und ist seit 1982
Vollmitglied der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU), die
sich jetzt in die Afrikanische Union (AU) umgewandelt hat. (APA)