Passau/Berlin - Das Münchner ifo-Institut hält es für möglich, das Arbeitslosenproblem in Deutschland in den nächsten zehn Jahren in den Griff zu bekommen. Voraussetzung dafür sei, die Rahmenbedingungen hin zu mehr Marktwirtschaft am Arbeitsmarkt zu ändern, sagte ifo-Chef Hans-Werner Sinn der "Passauer Neuen Presse". So könne der Aufbau eines Niedriglohnsektors in zehn Jahren 2,3 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. "Ein erheblicher Teil des Effektes wäre auch schon innerhalb einer Legislaturperiode spürbar", sagte Sinn. Kaum ein gutes Haar ließ der Experte an den Vorschlägen der so genannten Hartz-Kommission zur Reform der Arbeitsvermittlung. Man habe hier teilweise "die Wahl zwischen Wirkungslosigkeit und Unbezahlbarkeit", sagte Sinn. So sei das Vorhaben, Arbeitslose per Arbeitsamt als Leiharbeiter zur Verfügung zu stellen, völlig absurd und unbezahlbar. "Ich frage mich, wieso sich ernst zu nehmende Kommissionsmitglieder für so etwas hergeben", sagte der ifo-Chef. "Wachstumsbeschleunigung" Das Wirtschaftswachstum in Deutschland wird sich in der zweiten Jahreshälfte 2002 beschleunigen und im kommenden Jahr der Drei-Prozent-Marke nähern. Zu dieser Einschätzung kommt der deutsche Wirtschaftsminister Werner Müller in seinem Wirtschaftsbericht 2002, der am Dienstag in Berlin vorgelegt wurde. "Die deutsche Wirtschaft hat die Talsohle durchschritten und befindet sich im Wiederaufschwung", zeigte sich der Minister überzeugt. Bis zum Jahr 2006 hält er eine Reduzierung der Arbeitslosigkeit auf unter drei Millionen für möglich. Voraussetzung sei allerdings, dass das Wirtschaftswachstum von 2003 bis 2006 im Jahresschnitt um einen Prozentpunkt über dem der vergangenen vier Jahre liege, schreibt Müller. Zwischen 1998 und 2002 hat nach Angaben des Ministers das Wirtschaftswachstum bei jahresdurchschnittlich gut eineinhalb Prozent gelegen. Damit unterstellt Müller bei seinen Prognosen für die kommenden vier Jahre ein Wachstum von rund zweieinhalb Prozent. "Die Beschäftigung könnte in den kommenden vier Jahren dann um eineinviertel Prozent pro Jahr und damit um insgesamt fast zwei Millionen steigen", sagte Müller. 2006 unter Drei-Millionen-Grenze "Je nachdem, inwieweit diese zusätzlichen Arbeitsplätze durch Arbeitslose oder durch Personen aus der so genannten stillen Reserve besetzt werden, könnte die Arbeitslosigkeit um etwa eine Million bis 1,5 Millionen Personen zurückgeführt werden", heißt es weiter in dem Bericht. Wenn keine externen Belastungsfaktoren aufträten, "könnte im Jahr 2006 die Arbeitslosigkeit deutlich unter der Drei-Millionen-Grenze liegen". Müller spricht sich im Wirtschaftsbericht erneut dafür aus, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzuführen. Damit könnten "mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme erreicht werden". (APA)