Eine exemplarische Standortbestimmung von Malerei heute legt die von Kuratorin Zdenka Badovinac zusammengestellte Schau "(un)gemalt" in der Sammlung Essl vor.Klosterneuburg - Jedes Ende ist ein neuer Anfang, heißt es. Das Ende der Malerei, das Ende des Museums haben neue Formen heraufbeschworen. Das Ende des Museums mit universellem Anspruch, Typus MoMA New York, zeige, wie wichtig Unterschiede ("diversity") in den Sammlungen seien, meint Zdenka Badinovac anlässlich der von ihr unter Mitarbeit von Christine Humpl zusammengestellten Ausstellung (un)gemalt in der Sammlung Essl.

Dabei hat die Leiterin der Moderna Gallerija Lubljana, Kommissärin für Slowenien bei der Biennale Venezia sowie Österreich-Kommissärin für die heurige Biennale Sao Paulo, ein griffiges Konzept gefunden, mithilfe der bestehenden "alten" Sammlung etwas Aktuelles (aber nicht unbedingt "Neues") erstehen zu lassen.

Ihre sieben eingeladenen Kunstschaffenden verbindet, laut Badovinac, eine "Malerei als Intervention", im Gegensatz zum traditionellen Tafelbild, dem Tableau: Fünf Teilnehmer haben sich aus dem Fundus der Sammlung bedient und ihre eigenen Arbeiten integriert, sei es durch Kopieren, Verzieren, Gegenüberstellen oder die Verarbeitung von einzelnen Elementen, etwa Olaf Nicolais Adaption von Arnulf Rainers frühen Proportionsstudien, die er als Kindermalbuch auf Tischen auslegt.

Kopieren, Klittern, die Geschichte neu definieren: aus der Musikgeschichte längst bekannte Methoden, auch aus der Postmoderne. Und, wie Badovinac meint, auch Methoden der Künstler aus dem Osten Europas mit ihrer Ikonen-Bildtradition sowie ihrer Adaption der modernistischen abstrakten Kunst.

Die Aura der "Originale", in diesem Fall von Frank Stella, zerstören die Mitglieder von Irwin gut und gerne, indem sie ihnen einen klobigen Rahmen mit Details sozialistischer Plastik verpassen. Darunter der bekannte Bildtitel: Was ist Kunst? Glaubt man bei Irwin gefälschte Stellas zu sehen, so machen die "Anonymous - Masters of New York" mit Kopien von Sammlungsstücken - einem Fontana-Schlitzbild, einem Hartung und einem Soulages - ein Spielchen: Was ist in diesem Triptychon (Vorsicht, Aura!) Original, und was ist Kopie? Gewagte Allianz

Direkt stellen zwei Künstler ihre Werke mit ihrer Auswahl gegenüber: Michelangelo Pistolettos Spiegel reflektieren etwa einen Richter neben Sam Francis, eine gewagte Allianz. Der Russe Valery Koschlyakov, übrigens derzeit bei Davaj! im MAK sowie bei Krinzinger Projekte vertreten, umgibt seine mit Scotch-(und Bauhaus-)band direkt an die Wand geklebten Assemblagen mit Gerwald Rockenschaubs 80er-Neo-Geo-Malerei, eine Hochhauslandschaft mit Andy Warhols Schuh.

Ganz auf persönlicher Ebene spielt sich das alles bei Johanna Kandl und dem jungen Israeli Eliezer Sonnenschein ab. Während Kandl dick Farbe aufträgt und u. a. das 1997 erstmals in einem Baumarkt erworbene Holzstück um ein geradezu kitschiges Sammler-im-Atelier-Erinnerungsbild rahmt, bannt der gelernte Grafiker Sonnenschein, stilistisch zwischen Club-Folder und Hieronymus Bosch anzusiedeln, Computerdrucke auf Fotopapier. Die bunten Farben in mit Graffitis versehenen, suggestiven roten Raum täuschen nahezu über die - in unpeinlicher Weise - vorgetragen Inhalte hinweg, den Konflikt in Israel mit allen seinen Folgen. "Ich glaube an keinen Staat, keine Ideologie", meint Sonnenschein: "Sie sagen: Folgt uns! Das, was wir aber tun sollen, ist vor ihnen gehen!" (DER STANDARD, Printausgabe, 17.7.2002)