Wirtschaft
Einheitspreise statt Billigautos
Experten fürchten Umkehreffekt: Für Fahrer und Käufer hat das Ende des Gebietsschutzes gravierende Auswirkungen, allerdings andere, als EU-Kommissar Monti verspricht
"Autos werden billiger." - Als
Europas oberster Konsumentenschützer, Mario Monti, vor
mehr als einem Jahr mit dieser
Prognose an die Öffentlichkeit
trat, war das Echo gewaltig.
Millionen von Menschen, die
auf das Auto angewiesen sind,
sahen goldene Zeiten anbrechen. Hersteller und Händler
hatten seit Jahren immer unverschämtere Preise für ihre
Vehikel verlangt, nun komme
es endlich zu mehr Wettbewerb, zu einer Umkehrung der
Preisspirale.Die meisten Experten sehen
das anders. Der erste Effekt bei
Neuwagen werde vielmehr
sein, dass die Hersteller dazu
übergehen, ihre Autos EU-
weit zu einheitlichen Nettopreisen an die jeweiligen Importeure abzugeben. Hintergrund: Die von Brüssel inkriminierten Preisunterschiede
erklären sich großteils aus der
jeweiligen Steuergesetzgebung. So werden etwa in Dänemark niedrigere Werksabgabepreise verrechnet. Händler - große Handelsketten etwa
- könnten sich dort mit billiger
Ware eindecken und günstig
an den Mann bringen, so das
Brüsseler Kalkül.
"Kunden werden die Zeche zahlen"
Falsch, sagen die Hersteller,
die Kunden werden die Zeche
zahlen. Betroffen sind neben
Dänemark Finnland, Irland,
Griechenland und Portugal -
zusammen machen sie fünf
3,5 Prozent des Gesamtmarkts
in Europa aus. So gibt es bereits jetzt ein stillschweigendes Einvernehmen aller großen in Europa vertretenen
Hersteller, die Preise sukzessive zu vereinheitlichen, die
Deutschen (BMW, DaimlerChrysler, Porsche, VW-Konzern) voran, gefolgt von den
Franzosen und anderen.
VW-Konzern-Personalvorstand Peter Hartz findet das
Vorgehen der EU-Wettbewerbsschützer verantwortungslos, ein Teil der derzeitigen Autoabsatzkrise gehe
schlicht auf deren Konto. "Den
Monti können Sie in der Pfeife
rauchen. Das können Sie zitieren", sagte Hartz im Gespräch
mit dem STANDARD. Es sei eine
Frechheit, die Steuerharmonisierung auf dem Rücken der
Autoindustrie auszutragen
"und uns Konsumentenfeindlichkeit vorzuwerfen".
Händlersterben
Nun hält sich das Mitleid
mit den Unternehmen in
Grenzen, die Konsumenten
könnten aber im Endeffekt
wieder durch die Finger
schauen. Die Strukturbereinigung im Handel wird sich
durch die neuen Vertriebsregeln, trotz mehrjähriger Übergangsfristen, beschleunigen
(Händlersterben), die neuen
zu erwartenden Player werden
nur mehr ein paar kapitalstarke Großunternehmen sein.
Verschiebungen von den
Herstellern zu starken Handelsketten, auch im Reparaturbereich, erwartet etwa die
Unternehmensberatung A.T.
Kearney: Nur solche könnten
sich den Gerätepark für Service und Reparaturen leisten.
Worst-Case-Szenario: Weniger Unternehmen - weniger
Wettbewerb - weniger Rabatt. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, Printausgabe 17.7.2002)