Wien - Der überarbeitete Entwurf neuer Anstandsregeln für Unternehmen - Corporate-Governance-Kodex - birgt Sprengstoff. Zerschlagen werden unter anderem die Aufsichtsratsmultis sowie viele bisher diskretionär gehandhabte Bereiche von Vorständen und Aufsichtsräten. Dazu verlangt der überarbeitete Kodex jetzt eine Gleichstellung aller Aktionäre. Auch wenn diese Regeln, die per Oktober als freiwillige Ethikverordnung für alle börsenotierten Unternehmen gelten sollen, als "nur reaktiv und zu spät" qualifiziert und vielfach als Soft Law abgetan werden: Sobald sich Unternehmen im Geschäftsbericht zur Corporate Governance bekennen - Böhler-Uddeholm, Do & Co oder Topcall haben das bereits getan - entspricht das einem Versprechen des Vorstandes. "Das wäre als sachimmanentes Regelwerk einklagbar", freut sich Rupert-Heinrich Staller, für Privataktionäre im Team des Kodex-Beirates. Die wichtigsten Punkte
  • Aufsichtsräte dürfen nur mehr maximal sechs Mandate innehaben, wobei der Vorsitz doppelt gilt. Das trifft einige Banker und Exvorstände im Land hart.
  • Die Führungsgruppe eines Unternehmens muss alle Aktien- und Derivatgeschäfte per Quartal offen legen. Unterjährige diskrete Transaktionen werden damit unmöglich.
  • Alle Beratungsverträge brauchen die Zustimmung des gesamten Vorstandes, ihr Inhalt und die Entlohnung müssen offen gelegt werden. Das unterbindet Doppelgeschäfte von Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten.
  • Die Hauptversammlung soll den Paktabschlag von 15 Prozent für Kleinaktionäre bei Übernahmen ausschließen. Gleichzeitig soll ab einem Streubesitz von 25 Prozent ein Privatanlegervertreter im Aufsichtsrat sitzen.
  • Der Vorstand verpflichtet sich zur Einhaltung des Kodex, jährlich muss einer noch zu bestimmenden unabhängigen Kommission Bericht erstattet werden.
Offen gelassen haben sich die Kapitalmarktvertreter bis zum Herbst noch den umstrittensten Punkt: Sollen die Gehälter und Bonuszahlungen aller leitenden Personen einzeln offen gelegt werden? Im Entwurf steht das wegen zu heftiger Widerstände derzeit nur als Empfehlung. (Karin Bauer, DER STANDARD, Printausgabe 17.7.2002)