Bonn - Ron Sommer gab am Dienstag zu seinem Rücktritt eine Erklärung ab. Sie hatte in Auszügen
folgenden Wortlaut:
"Meine sehr geehrten Damen und Herren, die heutige Sitzung des
Aufsichtsrates der Deutschen Telekom ist noch nicht beendet, und ich
kann ihnen als aktuelle Zwischeninformation mitteilen, dass bisher
noch keine Entscheidung darüber gefallen ist, wer das Unternehmen
künftig als Vorsitzender des Vorstandes führen wird. Unabhängig von
dieser Entscheidung, und unabhängig davon, wie sie ausfallen wird,
habe ich den Aufsichtsrat gebeten, mich von meinen Aufgaben zu
entbinden.
Ich habe mich nach den heutigen Ereignissen - und denen der
vergangenen Tage - der Realität zu stellen, dass der Aufsichtsrat des
Konzerns nicht mehr uneingeschränkt zu mir und der von mir
verantworteten Strategie für das Unternehmens steht. Dies sind
Bedingungen, unter denen eine kooperative und vertrauensvolle
Zusammenarbeit zwischen mir und dem Aufsichtsrat nicht mehr möglich
ist. Das gilt noch einmal mehr vor dem Hintergrund der allgemeinen
Branchensituation, die sich in den letzten Monaten dramatisch
verschärft hat. Obwohl die Deutsche Telekom davon sehr viel weniger
betroffen ist als viele andere Wettbewerber auf dem nationalen und
internationalen Märkten, müssen wir darauf reagieren.
Entscheidungen
Das Unternehmen muss in den nächsten Wochen und Monaten
Entscheidungen treffen, die von Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam
getragen werden müssen. Dazu gehört beispielsweise ein nochmals
erheblich forciertes Programm zur Kostensenkung und
Effizienzsteigerung, das der Vorstand in den letzten Wochen
erarbeitet und gestern noch einmal einmütig bestätigt hat, um den
Schuldenabbau schneller voranzubringen. Wenn ein
Vorstandsvorsitzender in einer solchen Situation nicht über das volle
Vertrauen des Aufsichtsrates verfügt, ist der Rücktritt der einzige
Schritt, mit dem man noch ein verantwortungsvolles Handeln unter
Beweis stellen kann.
Ich möchte damit auch einen Beitrag leisten, um weiteren Schaden
vom Unternehmen abzuwenden, denn das Ansehen der Deutschen Telekom
hat durch die öffentlichen Diskussionen, insbesondere der vergangenen
Woche, bereits erheblich gelitten. Es ist unzweifelhaft notwendig,
solche Diskussionen in bestimmten Situationen zu führen. Dies ist ein
völlig normaler Vorgang in der Entwicklung eines jeden Unternehmens.
Es wäre ein Fehler, wenn die Zentralen Führungs- und Kontrollgremien
eines Unternehmens nicht die Strategie und auch damit verbundene
Personalfragen überprüfen würden, wenn sich die Rahmenbedingungen so
dramatisch verändern, wie dies in unserer Branche geschehen ist.
Aus gutem Grund finden solche Diskussionen aber hinter
verschlossenen Türen und nicht in der Öffentlichkeit statt. Die
öffentliche Diskussion der letzten Woche mit all ihren Spekulationen,
Gerüchten und Dementis hat nicht nur mich sehr betroffen gemacht,
sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen und
bei unseren Kunden und Aktionären, wie auch auf den Kapitalmärkten
für Irritation und Verunsicherung gesorgt.
Debatte beenden
Mit meinem Rücktritt möchte ich nun zumindest den Teil der Debatte
beenden, der mit meiner Person verbunden ist. Ich möchte auf diese
Weise dazu beitragen, dass wieder Ruhe einkehrt ins Unternehmen, wie
in die schädliche öffentliche Diskussion. Ich möchte damit auch den
Weg frei machen für eine neue personelle Lösung, wie immer sie auch
aussehen mag. Ich hoffe sehr, dass eine Lösung gefunden wird, die der
Deutschen Telekom Kontinuität sichert in der erfolgreichen
Entwicklung, die in den vergangenen Jahren vollzogen wurde.
Insbesondere die Marktöffnung vor viereinhalb Jahren hat eine
tiefe Zäsur bedeutet, mit der sich die Welt der Deutschen Telekom so
radikal verändert hat, wie dies bis dahin in der
Unternehmensgeschichte noch nicht der Fall gewesen ist. Die Deutsche
Telekom hat den damit verbundenen Paradigmenwandel viel besser
bewältigt, als uns das viele Marktbeobachter uns das im Vorfeld
zugetraut hatten. Sie hat aus einer Situation, die das Unternehmen in
eine tief greifende Krise hätte bringen können, neue Chancen gemacht
und diese konsequent genutzt.
Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass der Umsatz in den
letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt werden konnte. Dies zeigt sich
auch ganz aktuell an der Entwicklung im ersten Halbjahr 2002. Die
Deutsche Telekom wird auch in diesem Jahr wieder zweistellig wachsen
und damit viel stärker als die deutsche Wirtschaft. Und zwar trotz
des schwierigen ökonomischen Umfeldes. Wir haben vor allem die
operative Ertragskraft weiter gesteigert. Dies wird gemeinsam mit
forcierten Kostensenkungen dazu führen, dass der Konzern seine
Schulden konsequent und radikal abbauen kann. Ich habe während meiner
gesamten Arbeitszeit, vor allem aber in den letzten Wochen sehr viel
Rückhalt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Deutschen
Telekom erfahren. Ich möchte den Beschäftigten dafür an dieser Stelle
einen ganz herzlichen Dank sagen.(...)
Wir haben den Mitarbeitern sehr viel abverlangen müssen. Sie haben
entscheidenden Anteil daran, dass die Deutsche Telekom heute dort
steht, wo sie steht - und das ist ganz vorne in der Weltliga der
Telekommunikation. Dahinter steckt eine Leistung, ein gewaltiger und
gemeinsamer Kraftakt, auf den das ganz große Team Telekom mit Fug und
Recht stolz sein kann. Mehr als sieben Jahre habe ich nun das Amt des
Vorstandsvorsitzenden ausgeübt. Es waren für mich sieben gute,
spannende und aufregende Jahre, trotz aller Herausforderungen und
Kritik, denen ich mich mit meinen Vorstandskollegen zu stellen hatte.
(...)
Dankbar in hohem Maße bin ich auch meiner Familie, die in diesen
Jahren Beanspruchungen stand halten musste, wie wir sie bis dahin
nicht gekannt hatten. Sie hat dies hervorragend gemeistert und mir
dadurch einen unverzichtbaren Rückhalt geboten.
Trotz der Turbulenzen der letzten Tage und Wochen werde ich auf
die Jahre bei der Deutschen Telekom mit einem Gefühl der subjektiven
Befriedigung zurück blicken, mit der Zufriedenheit, doch eine Menge
erreicht und verändert zu haben. (...) Ich wünsche meinem Nachfolger
eine glückliche Hand in allen seinen Entscheidungen und dem
Unternehmen, dass es seine dynamische Entwicklung ungebremst weiter
fortsetzen kann." (APA/dpa)