Wirtschaft
Eichel begrüßt Neubesetzung
Finanzminister stärkt Sihler den Rücken - Opposition schäumt - Analysten zurückhaltend
Berlin - Der deutsche Finanzminister Hans Eichel
(SPD) hat die Umbesetzung an der Spitze der Deutschen Telekom und
damit indirekt den Rücktritt von Ron Sommer begrüßt. Der Aufsichtsrat
habe mit Helmut Sihler als neuem Vorstandsvorsitzenden und Gerd
Tenzer als Stellvertreter "eine überzeugende Neubesetzung"
vorgenommen, erklärte Eichel am Dienstagabend in Berlin. "Damit ist
der Weg frei, eine Strategie für eine langfristig gesicherte
Entwicklung des Unternehmens zu beschreiben." Sowohl Sihler als auch Tenzer besäßen "eine gediegene Kenntnis der
aktuellen Telekom-Probleme und bringen die nötige Kraft und die
Entschlossenheit zu den jetzt notwendigen Veränderungen ein", sagte
Eichel. "Damit besitzen sie alle Voraussetzungen, das Vertrauen der
Finanzmärkte und aller Aktionäre in die Deutsche Telekom zu stärken."
"Gewisser Vertrauensverlust"
Telekom Aufsichtsratschef Hans-Dietrich
Winkhaus sagte am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin, Hintergrund für den
Wechsel sei "ein gewisser Vertrauensverlust" in Konzernchef Ron
Sommer und die Notwendigkeit einer "Neuausrichtung" der Telekom
insgesamt. "Die Stichworte sind: Kostensenkungen, Qualitäts- und
Effizienzsteigerung und Schuldenabbau durch ein sehr gutes operatives
Geschäft, aber auch der Verkauf der Kabelnetze", sagte Winkhaus.
Opposition schäumt
Die Opposition sieht die Sommer-Ablöse naturgemäß anders und war der Regierung vor, Chaos an der Spitze der Telekom angerichtet zu haben. Die öffentliche Diskussion um Sommer habe der
gesamten Wirtschaft schwer geschadet, sagte FDP-Chef Guido
Westerwelle der "Bild"-Zeitung vom Mittwoch. "Wir machen uns
lächerlich vor aller Welt," hatte zuvor Unions-Fraktionschef
Friedrich Merz (CDU) am Dienstagabend vor Journalisten in Berlin
erklärt.
Analysten zurückhaltend
Analysten äußerten sich am Dienstag in einer ersten Reaktion
zurückhaltend zum Rücktritt des bisherigen Chefs der Deutschen
Telekom. Hans-Peter Kuhlmann, Analyst bei der
Baden-Württembergischen Bank in Stuttgart: "Das ist keine optimale,
aber nicht die schlechteste Lösung. Es gibt dem Unternehmen Zeit und
Ruhe, um einen guten externen Nachfolger zu finden. Und es nimmt die
Hektik und die Spekulationen aus dem Markt. Das ist gut. Politisch
denke ich, gibt es keine Gewinner. Eine rein interne Lösung hätte
nach einem politischen Bauernopfer gerochen."
Die Analysten der Investmentbank Merrill
Lynch haben die Aktien der Deutschen Telekom auf "Neutral" von
"Reduzieren/Verkaufen" hochgestuft. Dies teilten die Experten am
Mittwoch in London mit. Weitere Angaben wurden zunächst nicht
gemacht.
Rodney Sherrington, Analyst bei ABN Amro in London meinte: "Das
ist ein Kompromiss, weil Tenzer nicht populär genug war. (Der neue
Vorstandschef Helmut) Sihler ist aber auch nicht viel besser, weil er
im Aufsichtsrat die Entscheidungen mitgetragen hat. Glücklich bin ich
nicht über die Entscheidung. Das Unternehmen braucht eine neue
Strategie, und diese bringt Sihler nicht. Aber das Unternehmen hat
nun wieder etwas Zeit. Allerdings hat die ganze Geschichte gezeigt,
dass die Politik, besonders in Wahljahren, Einfluss nimmt. Und das
verschreckt die Investoren, besonders die Internationalen." (APA/dpa/Reuters)