Bühne
"Stück eigener Selbsterkenntnis"
Bundespräsident Klestil sprach über Beziehungen zum Nachbarland Tschechien
Bregenz - Bundespräsident Thomas Klestil hat am
Mittwoch zu Mittag die 57. Bregenzer Festspiele eröffnet. Als
künstlerischer Auftakt steht abends im Festspielhaus die
Opernrarität "Julietta" von Bohuslav Martinu am Programm, tags darauf auf der Seebühne die Wiederaufnahme von
Puccinis "La Boheme". Mit der "selbstkritischen, ja polemischen Frage", ob Politiker bei
Festspielen als Aufputz dienen oder "sich einfach vordrängen",
eröffnete Bundespräsident Thomas Klestil seine Rede, die sich mit der
Beziehung Österreichs zum Nachbarstaat Tschechien auseinander setzte.
Es gehe heute mehr denn je darum, "den Anderen zu verstehen und das
Gemeinsame vor das Trennende zu stellen", sagte der Bundespräsident.
"In Europa darf es keinen Wettlauf um Vorherrschaft geben, wohl aber
die Vision einer friedlichen Zukunft gleichberechtigter Partner".
Voraussetzung hierzu sei, dass "wir gewisse Regeln im Umgang
miteinander akzeptieren müssen".
Der Festredner, der Botschafter der Tschechischen Republik Jiri
Grusa, sei in seinem zuletzt erschienen Buch dem schwierigen
Verhältnis der Tschechen und Österreicher nachgegangen und zu dem "an
Karl Kraus gemahnenden Schluss" gekommen: "Was die Tschechen von den
Österreichern trennt, ist der gemeinsame Charakter". Klestil betonte,
"wie sehr Gemeinsames zum Trennenden werden kann, wenn man sich so
verzweifelt um Selbstabgrenzung bemüht".
Bei den Bregenzer Festspielen bedeute die Auseinandersetzung mit
der Kultur des Nachbarn in Form der Oper "Julietta" des tschechischen
Komponisten Bohuslav Martinu "ein Stück eigener Selbsterkenntnis". In
dieser Oper werde "deutlich, dass es eine Zukunft ohne Erinnerung
nicht geben kann" und dass "ausweglos erscheinende Situationen gerade
durch die Kraft der Vision gemeistert werden können". Daher "sind
auch wir aufgerufen, die Botschaft der Musik auch in diesem Sinne zu
hören".
Die Bregenzer Festspiele, "eines der erfolgreichsten
Musikfestivals Europas", haben es laut Klestil "verstanden, trotz
Ruf, Ruhm und Renommee ihren Charme nicht zu verlieren". Dass dieser
"Spagat zwischen wachsender Bedeutung und unveränderter Natürlichkeit
glücken konnte", sei nicht zuletzt das Verdienst von
Festspielpräsident Günther Rhomberg. Das betonte der Bundespräsident
vor der Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft
und Kunst an den "bedeutenden Kulturmanager" Rhomberg.
(APA)