Berlin - Städte werden zunehmend rund um die Uhr aktiv. Die Eroberung der Nacht ist nicht neu, eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) macht nun aber neue Entwicklungstendenzen deutlich. Am Beispiel der drei Fallstudienstädte Berlin, Frankfurt/Main und Wien werden mögliche Folgen einer Nonstop-Aktivität dargestellt und gezeigt, dass die Nutzung neuer "Zeit-Areale", die bisher eher als Ruhephasen galten, auch einen hohen gesellschaftlichen Preis fordern. Ausgwählte Branchen der Studie sind Finanzdienstleistungen, Kultur, New Economy. Fazit der Stadtforscher Matthias Eberling und Dietrich Henckel vom Difu ist, dass die Städte Berlin, Frankfurt/Main und Wien zwar auf dem Weg in die zeitliche Ausdehnung sind, aber bis auf wenige Zonen, die sich vor allem in Berlin befinden, von einer Rund-um-die-Uhr Aktivität noch entfernt sind. Zeitliche Ausdehnungstendenzen lassen sich empirisch in vielen Bereichen feststellen, prinzipiell gibt es aber eine Gewichtsverschiebung hin zum Dienstleistungssektor. So wird im Zuge der Ausdehnung der Börsen- und Bankenzeiten in dieser Branche erstmals Schichtbetrieb eingeführt. Die Ausdehnung findet gegenwärtig vorrangig am Rande des so genannten Normalarbeitstages, also vor allem in den Abend hinein, statt. Gerade neue Wirtschaftsbereiche (New Economy) sind aber häufig durch sehr ausgedehnte individuelle Arbeitszeiten und ausgedehnte Betriebszeiten gekennzeichnet. Typisch für solche Bereiche des Dienstleistungssektors ist, dass die Arbeitszeiten immer weniger erfasst werden, so dass das Ausmaß der Arbeit immer weniger empirisch überprüfbar ist. Die neuen Entwicklungstendenzen legen nahe, bei künftigen Entscheidungen, die zur zeitlichen Ausdehnung führen und damit zur Aufgabe bisheriger "sozialer Rhythmen" zwingen, vor allem die sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgen zu berücksichtigen. Besonders alarmierend sind laut Studie dabei die Erkenntnisse aus der Schlaf- und Unfallforschung: Weltweit passiert ein erheblicher Anteil von Unfällen durch Übermüdung - verursacht durch zu lange Arbeitszeiten und Nachtarbeit. Diese Unfälle, z.B. Umweltschäden durch Fabrik- oder Atomkraftwerkhavarien, Verkehrsunfälle, Flugzeugabstürze oder Gesundheitsschäden, die durch ständige Nachtarbeit hervorgerufen wurden, verursachen enorme gesellschaftliche Kosten, die bisher überwiegend von der Allgemeinheit bezahlt werden. Sollte sich dieser Trend zur Ausdehnung von Arbeitszeiten in ehemalige Ruhephasen noch weiter verstärken, so wird auch die Anzahl solcher Schäden weiter steigen. Für die zeitliche Ausdehnung von Aktivitäten in die Nacht nennen Matthias Eberling und Dietrich Henckel vom Difu verschiedene Gründe: der wirtschaftliche Strukturwandel, der zu einer generellen Beschleunigung in der Wirtschaft und zur Flexibilisierung von Arbeitszeiten und neuen Arbeitsformen führt, die internationale Vernetzung, die viele Angebote rund um die Uhr verfügbar macht (Medien, Internet) sowie Wertewandel und Individualisierung. (pte)