Kunst und Kultur
Ein Fest für "Rosas" im Burgtheater
Impulstanz 2002: "Bejarts rebellische Töchter" feiern 20-jähriges Bestehen
Wien - Drei geschmackvolle Blumenskulpturen, zahlreiche am
Boden stehende Flaschen Champagner und ein projizierter Schriftzug
auf der Bühnenwand - "20 Jahre Rosas" - ließen von Beginn an kein
Missverständnis aufkommen. An diesem Abend soll gefeiert werden! Die
flämische Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker, gern gebuchter
Gast vieler internationaler Festivals, hatte zur "Gala - Soiree
Repertoire" ins Burgtheater gebeten, um eine Art "Best of" aus den
vergangenen beiden Jahrzehnten zu präsentieren. Der Abend belegte
aufs Neue: die "Rosas" gehören zur Weltspitze des zeitgenössischen
Tanzes."Bejarts rebellische Töchter"
Anne Teresa De Keersmaeker ist eine Meisterin der Konstruktion.
Ihr aus der jeweiligen Musik entwickelter, auf das Wesentliche
reduzierter Tanz konzentriert sich auf die klare Bewegung. 1983
gründete sie mit drei Kolleginnen von Maurice Bejarts Mudra-Schule
die Compagnie "Rosas", die seit 1992 an Brüssels Theatre de la
Monnaie residiert. Dort leitet sie auch ihre eigene Schule P.A.R.T.S.
In den 80er Jahren zählten "Bejarts rebellische Töchter", wie sie
genannt wurden, zu den europäischen Trendsettern. "Fase - Four
Movements to the Music of Steve Reich" war Keersmaekers erste
Maßstäbe setzende Arbeit, die sie in New York 1982 zusammen mit der
Tänzerin Michele Anne de Mey zur kongenialen Musik von Steve Reich
uraufführte.
Klare Formationen
Den Gala-Abend eröffnete ein Keersmaeker-Solo aus
"Fase", das die Jubilarin natürlich höchstpersönlich tanzte. Man kann
sich "Violin Phase" auch gar nicht anders vorstellen. Auf der Bühne
gibt es nur einen Lichtkegel und die Tänzerin im weißen Kleid und
weißen Schuhen. Zum Legato der Geige zieht sie innerhalb der
Lichtmarkierung ihre Kreise, und die Bewegung entspricht der
geometrischen Struktur der Reichschen Minimalmusic. Erstaunlich, was
für unglaubliche Energie Keersmaeker aus diesen klaren Formationen
bündeln kann, aber das ist ja auch ihr Markenzeichen.
Danach gab es eine späteres Werk aus dem "Rosas"-Repertoire:
"Französische Suite" aus der "Toccata" (1993). Die Klavier-Musik von
Johann Sebastian Bach (live gespielt von Jos Van Immerseel)
konterkariert die genau zur Partitur gestaltete Choreografie für zwei
Tänzerinnen und einen Tänzer durch humorvolle Kombinationen
klassischer Allüren, Hüftknicke und fließender Modern-Bewegungen.
Nur für Frauen
Ein weiterer Klassiker beendete den ersten Teil, "Quatuor nr. 4"
aus "Bartok/Aantekeningen (1986). Es ist das letzte, nur für Frauen
gemachte Stück Keersmaekers. Vier Frauen in schwarzen Röcken und
schwarzen Jazz-Schuhen tanzen zu den dissonanten Klängen Bartoks,
live gespielt vom Duke Quartet. Sie wirbeln in Drehungen und
Sprüngen, klatschen mit den Schuhen gegeneinander und streichen sich
durchs Haar - hohe Energie, Präzision und Humor, das Erfolgsrezept
Keersmakers.
Nach der Pause dann "The Lisbon Piece" (1998), das für
ausschließlich klassisch ausgebildete TänzerInnen der "Companihia Nacional
de Bailado" choreografiert wurde. Spannend zu sehen, wie
Ballettkörper das Material Keersmaekers umsetzen. Zum Schluss die
"Grosse Fuge" aus "Erts" (1992), in der acht Männer (im Original plus
einer Frau) sich mit großem Kraftaufwand und doch harmonisch zur
Musik Beethovens auf den Boden werfen, rollen, springen. Das Publikum
bedankte sich beim Ensemble und vor allem seiner großartigen Chefin
mit heftigem Applaus für den Abend höchsten kinästhetischen Genusses. (Von Barbara Freitag/APA)