Vorschusslorbeeren für Interimschef Sihler - Experten sprechen von Strohfeuer
Redaktion
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Frankfurt - Mit einem Kursfeuerwerk der T-Aktie hat die
Börse auf den Machtwechsel an der Spitze der Telekom reagiert. Nach
dem Kursanstieg vom Vortag legte das Papier bis zum frühen
Mittwochnachmittag um 8,33 Prozent auf 11,84 Euro zu. Nach
Einschätzung von Aktionärsschützern und Analysten könnte es sich
dabei jedoch um ein Strohfeuer handeln.
Telekom-Analyst Marcus Schmitz von Hauck & Aufhäuser zeigte sich
überrascht vom Kursanstieg. Schließlich habe sich durch den Rücktritt
Sommers nichts Wesentliches geändert. Die Strategie sei dieselbe und
sein für sechs Monate ins Amt berufener Nachfolger, der frühere
Aufsichtsratschef Helmut Sihler, werde die Milliardenschulden wohl
kaum schneller abbauen als Sommer. Das Kursfeuerwerk der T-Aktie
erklärte Schmitz mit der Auflösung des Vertrauensverlustes gegenüber
Sommer sowie Vorschusslorbeeren für Sihler.
Konsolidierungskurs
Übergangschef Helmut Sihler
kündigte unmittelbar nach seiner Berufung einen radikalen
Konsolidierungskurs mit Kostensenkungen und Schuldenabbau an. Der 72-
Jährige Ex-Aufsichtsratsvorsitzende Sihler war am Dienstag für eine
Übergangszeit von bis zu sechs Monaten zum Nachfolger des
zurückgetretenen Konzernchefs Ron Sommer ernannt worden. Sommer hatte
nach dem tagelangen Hickhack um seinen Posten den Kampf aufgegeben.
Lösung für VoiceStream entscheidend
Entscheidend für die weitere Entwicklung der T-Aktie dürfte nach Meinung von Analysten sein, ob Sihler eine Lösung für die
verlustreiche US-Tochter Voicestream entweder durch Fusion oder
Verkauf findet. Die Telekom hatte in der Vergangenheit angedeutet,
nach einem Partner für die US-Mobilfunktochter VoiceStream zu suchen.
Dabei hatte es Gerüchte gegeben, VoiceStream habe Gespräche mit dem
US-Mobilfunkkonzern AT&T Wireless geführt.
Stillstand
Nach Einschätzung des Hauptgeschäftsführers der Deutschen
Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker, wird das
Strohfeuer des Machtwechsels schnell verglüht sein. "Ich denke, man
wartet ab und wartet auf die Maßnahmen, die die Konzernspitze jetzt
einleitet zur Schuldenkonsolidierung," sagte Hocker im NDR. Sihler
hatte nach dem Machtwechsel einen radikalen Konsolidierungskurs für
das Unternehmen angekündigt.
Nach Einschätzung Hockers bedeutet eine Interimslösung
normalerweise Stillstand. Es sei daher schwer zu sagen, ob Sihler die
Konsolidierung durchführen könne. Hocker sagte weiter, es wäre besser
gewesen, ohne Einfluss der Politik in Ruhe einen Nachfolger für Ron
Sommer zu finden und Sommer dann direkt gegen einen Topmanager
auszuwechseln. Jetzt wisse die ganze Welt, dass man suche. "Es wird
schwierig sein, einen zu finden, und es wird besonders teuer sein,
einen zu finden, der diesen Alptraumjob macht", sagte Hocker.
Ermittlungen gegen Sihler
Zugleich bestätigte die Bonner Staatsanwaltschaft, dass sie gegen
den neuen Telekom-Vorstandsvorsitzenden Sihler ebenso wie gegen den
am Dienstag zurückgetretenen Vorgänger Sommer ermittelt. Eine
Aktionsgemeinschaft geschädigter T-Aktionäre hatte Mitte März 2001
den Aufsichtsrat des Unternehmens und besonders den bis Mai 2000
amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden Sihler angezeigt. Der Sprecher
der Bonner Staatsanwaltschaft, Fred Apostel, sagte, wegen der
Materialfülle sei noch keines der Verfahren abgeschlossen.
Die Aktionärsgruppe wirft Sihler und praktisch allen anderen in
den 90er Jahren bei der Telekom Verantwortlichen vor, sie hätten
frühzeitig gewusst, dass der Immobilienbesitz der Telekom in der
Eröffnungsbilanz zu hoch angesetzt gewesen sei, was Anfang des Jahres
2001 zu einer Wertkorrektur um zwei Milliarden Euro geführt hatte.
Die Telekom hat diesen Vorwurf immer zurückgewiesen. (APA)
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