Wien - "Eine fundierte und finanzierbare Steuerreform ist wichtiger als alle Wahlen", sagte Finanzstaatssekretär Alfred Finz und plädierte für eine Steuerreform, die ein großer Wurf werden soll: "Zuerst machen wir im Herbst das Budget 2003 und bereiten dann die Steuerreform in einem großen Paket vor." Spätestens im Herbst 2003 sind Wahlen, die Regierung also mit ihrer Steuerreform unter Zugzwang. Man halte am Kurs der Budgetkonsolidierung weitgehend fest, so Finz. Damit widerspricht er einer Studie von Wifo-Chef Helmut Kramer, der eine mögliche Neuverschuldung von einem Prozent in den Raum gestellt hat. In einer Studie im Auftrag der Voralberger Landesregierung prognostiziert Kramer für das Budget 2003 einen Abgang von drei Mrd. Euro oder rund 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Länder würden den Betrag nur zu einem Drittel abdecken. "Nicht nachvollziehbar" Kramer führt die Situation nur zur Hälfte auf die schwache Konjunktur, zur anderen Hälfte auf zu hohe Einnahmenschätzungen zurück. Mit seiner Meinung bleibt er aber ziemlich allein: Für das Finanzministerium sind seine Hochrechnungen naturgemäß "nicht nachvollziehbar", für IHS-Chef Bernhard Felderer ebenso wenig, und sogar im eigenen Haus bleibt Kramer allein, hatte doch sein Budget-experte Gerhard Lehner noch vor drei Wochen mit 0,4 Prozent Defizit gerechnet. Finz räumt ein: "Wir haben gewisse Schwierigkeiten beim Vollzug für 2002. Dieses von Kramer berechnete Ausmaß ist für mich aber nicht nachvollziehbar. Es handelt sich hier um Hochrechnungen, die mit Vorsicht zu genießen sind." Aus dem Büro von Finanzminister Karl-Heinz Grasser verlautete: Zwischen 0,3 und 0,4 Prozent, aber jedenfalls unter einem Prozent, werde das Defizit bleiben. Experten rechnen hoch, dass dem Finanzminister - bedingt durch das schwache Konjunkturjahr 2001 und fortgesetzt in diesem Jahr - rund 1,5 Mrd. Euro an Einnahmen durch die Lappen gehen werden. Die größten Brocken dabei seien Umsatz- und Lohnsteuer. IHS-Chef Felderer rechnet damit, dass die Einnahmen im Herbst wieder leicht ansteigen sollten, sein Institut prognostizierte vor wenigen Wochen ein Defizit von 0,3 Prozent. In jedem Fall sieht Felderer das Defizit in der Größenordnung zwischen 0,3 und 0,5 Prozent, ein Prozent sieht er "sicher nicht". Dass Österreich sich entgegen seiner in Brüssel gemeldeten Zielvorgabe der Null beim Defizit nun auf 0,4 Prozent oder mehr eingelassen habe, sieht Felderer als kein ernsthaftes Problem: "Auf die paar Zehntel in Österreich wird keiner so genau hinschauen. Wenn Sie bedenken, welche Defizite aus Deutschland und Frankreich zu erwarten sind." Eine Steuerreform ohne Einsparungen sei entweder nicht möglich oder so geringfügig, dass man nicht von einer Steuerreform sprechen könne, so Felderer. (este, DER STANDARD, Printausgabe 18.7.2002)