Die Designer bei Philips frönen fantastischen Visionen. Mit großer Euphorie propagierte man vor wenigen Jahren eine kommunikative Welt, bestückt mit "smarten" Gegenständen. Eine vernetzte, interaktive Welt. Mit neuen Objekten, so formulierte der Chefdesigner Stefano Marzano pathetisch, sollten "die Barrieren von Raum und Zeit aufgehoben" werden. Große Worte - sprach er doch von banalen Toastern, elektronischen Pinnwänden und tragbaren Musikspeichern. Formal fanden die Visionen in Gegenständen Ausdruck, die nicht selten phallische Formen annahmen, die in bunter Verspieltheit an die Ausstattung von Kinderzimmern erinnerten: niedlich anzusehen, verspielt, fröhlich - einfach süß."Sweets for my sweet - sugar for my honey" Was die Liedzeile "Sweets for my sweet - sugar for my honey" erklärte: Denn wie aus Honig wuchsen plötzlich an Toastern, Rasierapparaten und anderen Geräten tropfenförmige Gebilde. So trafen also zwei Gegensätze aufeinander: Zum einen der Glaube an Hightech und eine kommunikative Zukunft durch digitale Vernetzung, zum anderen "menschelnde" Objekte, die sich grinsend als Schmusebär oder Handschmeichler ausgaben. Neu war die Strategie nicht. Herausforderung Minimalismus Schon vor 20 Jahren, als der Computerhersteller Apple Macintosh die Benutzeroberfläche seiner Geräte gestalten ließ, setzte man auf niedliche Symbole, ließ den Rechner beim Start wie ein verschmitztes Kind grinsen. Die Designerin Susan Kare entwarf hierfür eine ganze Palette von Symbolen. So sorgten ihre Piktogramme für ein besseres Verständnis der Maschine: Eine kleine Uhr zeigte die Rechenzeit an, Dokumente verschwanden in einem Mülleimer. Und Kare zeichnete mit wenigen Pixeln eine bis heute gefürchtete Bombe. Wenn sie auf dem Bildschirm flimmert, ist alles zu spät, ist das System abgestürzt. Trotz der dramatischen Inhalte sieht das flackernde Bömbchen eher harmlos aus, verglichen jedenfalls mit der nüchternen Kommandozeile "System Error". Bestanden diese Piktogramme anfangs noch aus wenigen, lediglich schwarzen Pixeln, mutierten sie bald zu Bildern, nahmen Volumen an. Und so blasen sich die einstmals genialen Vereinfachungen nun zu Albernheiten auf, geben unsinnige Töne von sich und hopsen wie ein Kindergarten auf dem Bildschirm umher. Hübsch, putzig - hilfreich? Das ist alles ganz hübsch und putzig - hilfreiches Design ist es nicht. So verwundert auch nicht, dass Susan Kare mittlerweile besonders gerne Ikons und Piktogramme für Handys und Taschencomputer gestaltet. Diese, so sagt sie, erfordern ein "minimalistisches Design wie das der Rechner aus den 80er-Jahren". Eine Herausforderung eben. Ob nun dogmatischer Minimalismus oder alberne Spielereien: Wenn das Design überzeugt, wenn Lieschen Müller vor dem Bildschirm sitzt und ganz unvermittelt juchzt: "Herrje, ist das süß!", dann hat das Herz über den Verstand gesiegt, dann hat der Style überzeugt. Fahrende Eier Das meinte auch der Chairman von Mazda, Kenichi Yamamoto, als er 1989 den Kleinwagen 121 auf der Tokio-Motorshow vorstellte. In der Zukunft, rief er aus, "wird es darum gehen, ob ein Autokonzept spontan ankommt oder nicht". Und dann präsentierte er ein fahrendes Ei. Heute im Straßenbild etabliert, war der Mazda 121 eines der ersten Autos, die einem braven Kindchenschema folgten: ein leicht geöffnetes Maul, große rundliche Augen, eingebettet in weiche Formen. Einzig die Bodenkante und der Abschluss des Kofferraums wiesen gerade Linien auf. Ähnlich der Smart: Auch dieser Winzling, entwickelt unter dem Einfluss von Mercedes Benz, grinste lieblich wie ein Kind in die Welt. Selbst Armaturen, Gebläse und Griffe erinnerten an die seit 1997 in England über die Mattscheibe watschelnden Teletubbies. Ein Zufall, dass der Smart annähernd zeitgleich mit Tinky Winky, Dipsy, Laa Laa und Po das Licht der Welt erblickte? Sicher ist nur, dass die bunten Fernsehplagen sich mit Sprachfetzen wie "winki, winki" verabschieden. Und Abschied nehmen ist derzeit nötig, von den lieblichen Listen des Infantilen. Der überarbeitete Smart wurde in diesem Jahr in Genf vorgestellt - mit neuer Front. Mögen die Autos nun dem spielerischen Design den Rücken zuwenden, ein Klassiker dieser Kategorie bleibt wohl noch einige Jahre bestehen: der Korkenzieher Anna G. von Alessandro Mendini. 1994 entwarf er das figürliche Objekt nach dem Vorbild seiner Partnerin. Allerdings hat es Mendini unterlassen, seinen Objekten wirre Eigenschaften anzudichten - ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen von Philips. Statt von neuen Raum-Zeit-Konstellationen zu säuseln, meint er einfach: "Objekte sollten uns provozieren und zugleich wie Freunde sein." Irgendwie klingt das glaubwürdiger. (Knuth Hornbogen, rondo/19/07/2002)