Corpus Christi - Seit einem Jahrhundert können die Hitzegeplagten dieser Welt per
Knopfdruck dafür sorgen, dass der Schweiß nur dann rinnt, wenn sie es
wirklich wollen. Im Sommer 1902 wurde die Klimaanlage erfunden.
Bemühungen
Schon seit Jahrtausenden hatten sich die Menschen darum bemüht,
hohe Temperaturen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Um im
Sommer ihre Gärten zu kühlen, ließen die Kaiser des alten Roms Schnee
aus den Bergen bringen. Im 19. Jahrhundert entwickelte ein Arzt eine
Methode für Malariapatienten, die ihnen Abkühlung verschaffen sollte.
Über von der Decke hängende Eiskübel wurde Luft geblasen.
Doch erst am 17. Juli 1902 kam der große Durchbruch, als Willis
Haviland Carrier ein System erfand, das die Luft gleichzeitig kühlt,
reinigt und trocknet. Carrier kam gerade frisch von der Universität,
als man ihn vor folgendes Problem stellte: Das für die Zeitungen des
New Yorker Verlagshauses Sackett-Wilhelms verwendete Papier dehnte
sich in der Hitze aus und zog sich dann wieder zusammen. Wegen der
heißen und feuchten Luft konnten die Drucker die Tinte nicht gerade
setzen.
Simple Umkehrung
Die Lösung des jungen amerikanischen Erfinders war denkbar
einfach. Das Gebäude wurde damals geheizt, indem Luft durch mit Dampf
voll gepumpte Rohre geblasen wurde. Was lag also näher, als das
gegenteilige Prinzip anzuwenden. Carrier ließ die Rohre mit kaltem
Wasser füllen. Die Luftfeuchtigkeit kondensierte auf den Rohren, so
wie das im Sommer bei einem eiskalten Wasserglas passiert. Das
Ergebnis war trockene und angenehm kühle Luft.
Erst vier Jahre später gab man der bahnbrechenden Erfindung den
Namen "Klimaanlage". Nur zögerlich trat Carriers System anfangs
seinen Siegeszug durch die Vereinigten Staaten an. Im Jahr 1925
installierte der Erfinder im New Yorker Rivoli Theater eine Anlage,
die die Raumtemperatur bei 21 Grad Celsius hielt. Nach den Theatern
folgten die Kaufhäuser. Und schließlich wurden Mitte der dreißiger
Jahre auch in Flugzeuge und Autos Klimaanlagen einbauen.
Prägender Einfluss auf die Zivilisation
Das Kühlsystem hat zum Wachstum der Städte Phönix und Houston im
Süden Amerikas beigetragen. Wolkenkratzer könnten ohne Klimaanlagen
nicht gebaut werden. Später wurden statt Wasser lange Zeit die das
Ozonloch schädigenden Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) verwendet,
doch die Industrie musste sie vor einem Jahrzehnt ersetzen.
In den zwanziger Jahren wurde das Weiße Haus erstmals gekühlt,
doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte die Erfindung auch die
Häuser der Bürger. In den sechziger Jahren waren bereits zwölf
Prozent aller amerikanischen Haushalte mit einer Klimaanlage
ausgestattet. Heute sind es 80 Prozent. (APA)