International
Vedrine: Antagonismus zwischen Westen und islamischer Welt wächst
"Clash" nicht unvorstellbar - Gegen "selbstgefälligen Dialog der Tauben"
Paris - Der Kampf gegen den Terrorismus dürfe nicht zur
"alleinigen westlichen Politik" im Umgang mit der
arabisch-islamischen Welt werden und alle amerikanischen und
europäischen Energien in Anspruch nehmen, warnte der französische
Ex-Außenminister Hubert Vedrine am Donnerstag in einem Beitrag für
die Pariser Tageszeitung "Le Monde". Man könnte dann zwar
militärische und Polizei-Erfolge verzeichnen, nehme aber gleichzeitig
eine "kontinuierliche Beschädigung der politischen und menschlichen
Beziehungen" zwischen dem Westen und der islamischen Welt in Kauf.
Ein frontaler Zusammenprall, ein "Clash", zwischen Westen und Islam
sei "nicht so unverstellbar, wie man es gerne hätte." Die rasche Errichtung eines lebensfähigen palästinensischen
Staates an der Seite Israels würde bei weitem nicht alle Probleme
lösen, aber zumindest diese gefährliche Tendenz stoppen, betont
Vedrine, der 1997-2002 französischer Außenminister war und viele
Jahre zu den engsten Mitarbeitern des verstorbenen Staatspräsidenten
Francois Mitterrand gehörte. Es gehe jetzt darum, die Faktoren zu
entschärfen, die zu einem "Clash" führen könnten. Dazu aufgerufen
seien nicht nur "offene Moslems"; der Aufruf richte sich auch an den
Westen, meinte Vedrine, der dabei auf den Fall der italienischen
Journalistin und Schriftstellerin Oriana Fallaci verwies (deren
umstrittenes Buch "Der Wut und der Stolz" allgemein als
Verunglimpfung des Islam verstanden wurde). "Ein freundlicher
akademischer Dialog der Kulturen, der nur allzu oft ein
selbstgefälliger Dialog der Tauben ist, wird nicht genügen."
Für die USA sei der 11. September das prägende Erlebnis geworden,
das ihre Beziehungen zur übrigen Welt dominiere. Das alleinige
Kriterium sei die Unterstützung für ihren Krieg gegen den
Terrorismus. "Aber alle anderen Probleme, die vor dem 11. September
dafür gesorgt haben, dass die Welt nicht stabil ist, bestehen
weiter", schreibt Vedrine. (APA)