Hanoi - Unter dem Eindruck eines spektakulären Mafia-Skandals, der bereits zu ersten Säuberungen im kommunistischen Parteiapparat geführt hat, tritt am (morgigen) Freitag das neu gewählte vietnamesische Parlament in Hanoi zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die im vergangenen Mai gewählten 498 Abgeordneten wählen den Staatspräsidenten, den Ministerpräsidenten und die neue Regierung. Bis zuletzt herrschte in Hanoi Rätselraten, ob Präsident Tran Duc Luong und Premier Phan Van Khai auf ihren Posten bleiben. Zusammen mit KP-Chef Nong Duc Manh, der im Vorjahr auf einem Parteitag für fünf Jahre gewählt worden ist, haben sie bisher die Führungstroika gebildet. Der Agrarexperte und frühere Parlamentspräsident Nong Duc Manh, Angehöriger der nationalen Minderheit der Tay, hatte den aus der Militärhierarchie kommenden und als Hardliner angesehenen Parteichef Le Kha Phieu abgelöst. Eine Gruppe im Zentralkomitee der KP tritt dafür ein, die Funktionen des Partei- und des Staatschefs wie in China zu vereinen. Bei der Parlamentswahl vom 19. Mai waren 89,7 Prozent der Mandate auf kommunistische Kandidaten entfallen. Neubesetzungen werden an der Spitze des Planungs-, des Justiz-, des Verkehrs-, des Industrie- und des Gesundheitsministeriums erwartet. Der bisherige Handelsminister Vu Khoan, der die Verhandlungen mit den USA über ein bilaterales Handelsabkommen geführt hatte, dürfte zum stellvertretenden Ministerpräsidenten aufrücken. Die Zahl der Ministerien und Regierungskommissionen soll von derzeit 26 auf 20 verkleinert werden. Nach dem Mafia-Skandal um den Unterweltkönig Nam Cam, der nach Darstellung der staatlichen Medien das kommunistische System "bis ins Herz getroffen hat", sind zwei hohe Funktionäre aus dem Zentralkomitee ausgeschlossen worden: der bisherige Vize-Innenminister Bui Quoc Huy und der Generaldirektor des Radiosenders "Stimme Vietnams", Tran Mai Hanh. Dem Vizeminister wurde außerdem der militärische Rang eines Divisionsgenerals aberkannt. Nam Cam, der mit illegalen Geschäften, Drogenhandel und Zuhälterei zu immensem Reichtum gekommen ist, soll von Bui Quoc Huy protegiert worden sein, als dieser Polizeichef von Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) war. Der 55 Jahre alte Nam Cam war 1995 zu drei Jahren Umerziehung in einem Arbeitslager verurteilt, aber nach zweieinhalb Jahren wieder frei gelassen worden. Schon mehr als 80 Persönlichkeiten sollen wegen ihrer Kontakte zu dem Mafia-Boss festgenommen worden sein. (APA)