Österreich
Alle wollen bessere Altenheime
Aber nur wenn die Länder mitspielen, haben die in Aussicht gestellten Musterverträge einen Sinn...
Wien - Breiter Konsens be
steht, dass die Rechte von
Heimbewohnern verbessert
werden sollen. Pensionisten
und Seniorenverband sehen
sich in ihren Forderungen be
stärkt. Der Dachverband der
Behindertenorganisationen
spricht sich dafür aus, auch
die Parteien. Aber nur wenn
die Länder mitspielen, haben
die von Sozialminister Her
bert Haupt (FP) in Aussicht
gestellten Musterverträge als
Empfehlung für Altenheime
einen Sinn.Versorgung der Alten ist Ländersache
Die Versorgung der Alten
und Pflegebedürftigen in
Heimen ist ausschließlich
Ländersache, wie ein vor rund
zehn Jahres gefälltes Urteil des
Verfassungsgerichtshofes
festlegt. „Es gibt seitens der
Länder überhaupt keine ge
setzliche Verpflichtung, die
sen Mustervertrag zu über
nehmen“, heißt es dazu im
Justizressort.
Viele Bundesländer sehen keine Notwendigkeit für Vorlagen
Tatsächlich sieht man dort
keine Notwendigkeit, Vorlagen vom Bund zu überneh
men. In Oberösterreich ver
weist etwa Soziallandesrat Jo
sef Ackerl (SP) darauf, dass es
eigene Vorlagen im Rahmen
der Heimverordnung bereits
gebe. Fast alle Heime, die öf
fentliche Förderungen erhiel
ten, würden diesen Vertrag
nützen. In Wien wird derzeit
ein neues Pflegeheimgesetz
ausgearbeitet, es soll im
Herbst beschlossen werden.
Schon jetzt sind für alle
87_Wiener Heime Standards
geregelt. Ihre Einhaltung werde vom Gesundheitsressort
kontrolliert, heißt es.
Am schlechtesten seien die Zustände in Tirol
Am schlechtesten seien die
Zustände in Tirol, hat FP-Jus
tizminister Dieter Böhmdor
fers Analyse ergeben.
Wie berichtet, hat seine Un
tersuchung gezeigt, dass
90_Prozent aller analysierten
Altersheimverträge Gesetz
widriges enthielten. Vor allem
Kündigungsklauseln oder
Preisanpassungen zulasten
der Heimbewohner wurden
kritisiert. Die Heimträger ha
ben nun ein Jahr Zeit, die Ver
träge zu ändern, sonst drohen
Klagen, kündigte der Justiz
minister an.
Personalmangel
„Beschämend schlecht“
Die Zustände werden in ei
ner dem
Standard
vorliegen
den Untersuchung der Katho
lischen Aktion der Diözese
Innsbruck bestätigt. Erst im
Juni wurde darin festgestellt,
dass in manchen Heimen die
Lebenssituation „beschämend
schlecht“ sei.
Die Ursache: zu wenig Per
sonal. So sei es - neben der
notwendigen Zeit für die
Grundversorgung der Heim
bewohner - täglich maximal
fünf Minuten möglich, sich
diesen persönlich zuzuwen
den. „Um einen Menschen
warm, satt und sauber zu hal
ten“, reicht dies nicht aus.
Heimbewohner vereinsamen,
psychische und physische
Verfallsprozesse würden be
schleunigt. Der Einsatz von
Schlafmitteln und Psycho
pharmaka sei üblich.
Johannes Wallner, Obmann
des Dachverbands der Senio
renheime hat derlei Vorwürfe
zurückgewiesen. (Andrea Waldbrunner, DER STANDARD, Printausgabe 19.7.2002)